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Mädchen im Moor

Mädchen im Moor

Titel: Mädchen im Moor
Autoren: Heinz G. Konsalik
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bitten, Herr Regierungsrat, unser Trauzeuge zu sein.«
    »O ja!« rief Monika. »Bitte, bitte – Chef –«
    Das Wort Chef traf Dr. Schmidt mitten ins Herz. Er nickte und kam um seinen Schreibtisch herum.
    »Und wenn es wieder Schwierigkeiten gibt mit Dr. Fugger … ich sage zu!« Er faßte Monika unters Kinn und hob ihr Gesicht hoch. Es war gerötet und von Tränen naß. »Weißt du, daß du eines der Mädchen bist, die mir immer wieder Mut gemacht haben, Wildmoor zu halten und nicht alle Theorien wieder aufzugeben? Es war oft schwer – jetzt kann ich es ja sagen – aber immer, wenn ich soweit war, zu sagen: Es hat keinen Sinn! Sie sind es nicht wert! Sie bleiben Ausgestoßene der Gesellschaft … dann habe ich dich gesehen und die anderen Mädchen, die sich bemühten, das Vergangene wie einen bösen Traum zu vergessen. Und dann habe ich weiter für euch gekämpft, um meine Mädchen im Moor –«
    Dr. Schmidt wandte sich ab, ging zum Schreibtisch und riß die Entlassungspapiere aus der Schreibmappe.
    »Hier, nehmt den Wisch und ab in die Freiheit!« rief er. »Wir wollen hier doch keinen Rührfilm spielen! Wenn geheiratet wird, sagt rechtzeitig Bescheid. Und nun raus!«
    Als zum Mittagessen die in der Nähe arbeitenden Arbeitskolonnen einrückten, war das Bett Monikas bereits leer und ihr Spind geräumt.
    Die Busse ist weg – das war eine Nachricht, die in wenigen Minuten durch alle Zimmer geflogen war und vor allem am Abend eingehend diskutiert wurde.
    So plötzlich, hieß es. Ohne Abschied! Was war vorgefallen? War sie zurückverlegt in das Gefängnis? Hatte man neue Straftaten aufgedeckt?
    Die Gerüchte blühten. An alles wurde gedacht, nur nicht daran, daß sie entlassen worden war. Man einigte sich darauf, daß sie verlegt wurde, da auch Hedwig Kronberg und Julie Spange, die Heimmütter, die es ja wissen mußten, beharrlich schwiegen.
    Und auch Hilde Marchinski schwieg. Sie wußte es auch. Und sie blieb stumm, weil sie sich entschlossen hatte, für immer auf Gut Wildmoor zu bleiben und sich bereits jetzt vorkam wie zur großen Familie gehörend.
    Die große, die angsterfüllte Minute war vorüber: Das Wiedersehen mit dem Vater. Eigentlich war alles so einfach gewesen, und wovor man monatelang Angst gehabt hatte, geschah nun ohne alle Dramatik.
    Die ganze Familie Busse war versammelt, in der guten Stube, die man mit Blumen ausgeschmückt hatte, als Monika und Jochen Spieß eintrafen. Der Tisch war gedeckt, Mutter Erika hatte einen großen Kuchen gebacken, Vater Hans zwei Pullen Sekt kaltgestellt … und als die erste Begrüßung vorbei war, kam sich Monika vor, als sei sie lediglich von einer großen Reise heimgekehrt, lang erwartet und nun gefeiert.
    Kein Wort wurde über Wildmoor gesprochen, alles drehte sich nur um die bevorstehende Hochzeit, nur Vater Busse sah seine Tochter strahlend an und sagte: »Gut siehst du aus, Mädel! Braun und wirklich gut! Verdammt noch mal … laß uns darauf noch einen trinken!«
    Mutter Erika weinte an diesem Tage viel, wie es so die Art der Mütter ist, drückte Monika stumm an sich und häufte Kuchen und Plätzchen und Schokoladeteilchen vor sie auf, als käme Monika aus einer Hungergegend.
    Das größte Problem waren die Nachbarn und die sogenannten guten Freunde. So sehr man die Heimkehr Monikas auch geheimgehalten hatte – unsichtbar konnte sie das Haus nicht betreten. Das genügte. Schon nach einer Stunde klingelte das Telefon. Man wollte wissen, wie es gewesen sei, warum sie schon aus dem Gefängnis entlassen worden sei, und der Kegelclub, in dem Vater Hans jeden Donnerstagabend seine Kugeln rollen ließ, fragte an, ob es stimme, daß im Knast die weiblichen Gefangenen auch Schlüpfer aus aufgerauhter Wolle trügen.
    Hans Busse hängte fluchend ein. Irgendwo hörte der Spaß auf, fand er. Später ging er gar nicht mehr ans Telefon, sondern ließ es klingeln.
    »Eine Bande, eine regelrechte Bande!« sagte er wütend. »Sie sind wie die Schmeißfliegen! Haben die Leute gar kein Gefühl?! Mein Gott, wie gemein kann der Mensch sein!«
    Am nächsten Morgen holte Jochen Spieß seine Braut ab und quartierte sie außerhalb der Stadt in einem kleinen Hotel ein. Es mußte sein! Die Nachbarn, sogar die Hausmitbewohner gaben keine Ruhe. Sie lagen auf der Lauer und hielten Monika an, als sie Milch holen ging und frische Brötchen. Die Milchfrau fragte, der Bäcker wollte wissen, wie die Brötchen hinter Gittern schmecken, der Gemüsehändler erkundigte sich, ob es im Knast
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