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Mädchen im Moor

Mädchen im Moor

Titel: Mädchen im Moor
Autoren: Heinz G. Konsalik
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abgeliefert. Sie stand jetzt in der Aufnahme und wurde in den Rhythmus von Wildmoor eingegliedert. Aufnahme der Personalien (obwohl sie bekannt und aktenkundig waren), Abgabe der eigenen Kleidung, heißes Bad, Ausgabe der Anstaltskleidung, Registrierung der abgegebenen Wertsachen und Beglaubigung durch Unterschrift, ärztliche Untersuchung, Vorstellung bei dem Herrn Direktor, Zuweisung des Bettes, Mittagessen, erste Bekanntschaft mit der Arbeit … und der erste Tag würde vorüber sein, der erste von 365 Tagen in Wildmoor.
    Aus der Waschküche kam langsam ein hochgewachsenes, gut genährtes, kräftiges Mädchen. Es schwitzte, wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß aus den Augen und sah hinüber zu dem grünen Wagen, der gerade anfuhr und auf dem Innenhof zur Ausfahrt wendete. Dann blickte es hinüber zu den anderen acht Mädchen, ein breites Grinsen überzog das schöne Gesicht, es wandte sich wieder um und ging mit schwingenden, breiten Hüften zurück in die Waschküche.
    »Schon ist sie da, die Barbara, die alte Sau!« sagte Hilde Marchinski und ballte die Faust. »Und die Gumpertz, das dicke Schwein, hockt bestimmt am Fenster und massiert sich die Schenkel. Wetten, ob sie die Neue bekommt?«
    »Es ist zum Kotzen!« sagte Vivian v. Rothen. »Man sollte es dem Direktor melden.«
    »Und dann? Dann kommt 'ne andere, die macht's genauso! Und ohne Sonderverpflegung –«
    Sie leerten ihre Mistkarren aus und fuhren zurück zum Stall. Noch bevor sie am Eingang waren, rief Julie Spange über den Hof. »Käthe zum Herrn Direktor!«
    »Auf Wiedersehen in vier Tagen!« sagte Hilde Marchinski. »Bist doch ein dummes Luder! Was haste nun von deinem Striptease? Wasser, Brot und 'ne Holzpritsche!«
    Langsam kam Käthe Wollop über den Hof zum Hauptgebäude. Julie Spange schüttelte ihren dicken, runden Kopf. Das Wollkleid saß ihr prall um die füllige, aber nicht unschön wirkende Figur. Auch das war eine Anordnung Dr. Schmidts: Die Beamtinnen auf Gut Wildmoor trugen keine Uniform wie in den Gefängnissen, sondern normale Kleidung. Sie waren keine Aufseherinnen, sondern ›Heimmütter‹.
    »Der Herr Direktor ist wütend!« sagte sie. »Was ist denn schon wieder los?«
    »Nichts.« Käthe Wollop hob schnippisch die Schultern. »Ich habe nur was gelüftet –«
    In der Diele begegnete sie Dr. Röhrig, der zu seinem Ordinationszimmer ging, das neben der Aufnahme und dem Bad lag. Hier war auch das Krankenrevier mit einer Schwester. Auf sie konnte nicht verzichtet werden, denn bei 43 Mädchen ist immer jemand krank und braucht Pflege.
    »Sie sind mir ja ein schönes Früchtchen!« sagte er und blieb stehen. Käthe Wollop drückte die Brüste heraus und lächelte breit.
    »Sie als Arzt dürfte so was doch nicht reizen …«
    Dr. Röhrig wölbte die Unterlippe vor und neigte etwas den Kopf zur Seite. »Wie alt sind Sie noch mal?«
    »Siebzehn –«
    »Was soll aus Ihnen bloß einmal werden?«
    »Was weiß ich? Vielleicht ne Nutte! Da kann man Geld machen.«
    »Wenn ich Ihr Vater wäre …«
    »Meinen Vater kenn ich nicht. Und meine Mutter steht jeden Abend auf'n Neumarkt, Ecke Apostelnstraße. Die ist so bekannt, daß die Schupos weggucken. Die haben nämlich Sondertarife –«
    Dr. Röhrig verzichtete auf eine weitere Unterhaltung. Er wandte sich ab und ging schnell davon. Hinter seinem Rücken hörte er das Lachen Käthe Wollops, ein ordinäres, gemeines Lachen, das nach Bett und Sattheit klang.
    Monika Busse stand vor dem breiten Schreibtisch Dr. Schmidts. Mittelgroß, blaß, mit gefalteten Händen, die langen, blonden Haare lose über die blaue Anstaltskleidung. Sie hat schöne, blaue Augen, dachte der Regierungsrat. Gute Augen. In ihnen fehlt der herausfordernde Blick, den viele hatten, wenn sie hier vor mir standen, und auch die schleimige Demut fehlt, mit der manche glauben, sich Wohlwollen erkaufen zu können. Sie steht da in einer Ergebenheit und sieht mich an mit der deutlichen Erwartung, daß sie jetzt eine Rede hören wird. Und genau das stimmt.
    Dr. Schmidt räusperte sich und beugte sich etwas im Sitzen vor.
    »Wir können uns große Worte sparen, Monika. Ich kenne deine Akten und ich weiß, daß du ehrlich bereust. Wenn du dich gut führst, wirst du kein Jahr – wie das Urteil lautet – hierbleiben. Ich werde dafür sorgen, daß ein Teil der Umerziehung –« er vermied deutlich das Wort Strafe – »erlassen wird. Du wirst hier merkwürdige Kameradinnen kennenlernen … denk immer daran, daß du dein eigenes
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