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Maechtig, mutig und genial

Maechtig, mutig und genial

Titel: Maechtig, mutig und genial
Autoren: Eva Karnofsky
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jedoch die Partei, vor allem um ihrer wissenschaftlichen Unabhängigkeit willen: »Man hat mir Botschafterposten angeboten, aber es scheint mir nicht attraktiv, Chile zu verlassen. Außerdem bin ich viel zu rebellisch, um einer Partei anzugehören. Ich habe auch nie nach einem politischen Amt gestrebt, vielleicht, weil ich die Politik von innen kenne«, erklärte sie 2009 in einem Interview.
    Am 30. Juli 1973, nur wenige Wochen vor dem Militärputsch von General Pinochet am 11. September 1973, verließ sie Chile. Ihr Mann Carlos Huneeus, der als Politologe an der
Universidad de Chile
arbeitete, hatte vom
British Council
ein Stipendium bekommen, um an der Universität von Colchester in Essex einen Master zu machen. Eigentlich hätte er allein reisen sollen, doch aufgrund der unsicheren politischen Lage in Chile begleiteten ihn Marta und ihr gerade acht Monate alter Sohn Cristobal. Nach Pinochets Staatsstreich strich die
Universidad de Chile
Huneeus das Gehalt, und Marta musste sich eine Stelle in London suchen, um finanziell über die Runden zu kommen, denn das britische Stipendium reichte nur für die Miete. Zwei Jahre lang pendelte sie täglich von Colchester nach London und arbeitete als Fremdsprachensekretärin für Spanisch, Englisch und Französisch in einer Firma, die Obst exportierte: »Sie waren sehr tolerant mit mir, denn als ich anfing zu arbeiten, konnte ich nicht einmal Maschine schreiben«, erinnert sie sich.
    Huneeus beendete sein Aufbaustudium, doch eine Rückkehr nach Chile war wenig ratsam, denn die Parteigänger Pinochets hatten ihn inzwischen von der Universität geworfen. Er erhielt dann ein Doktoranden-Stipendium der deutschen Konrad-Adenauer-Stiftung, und so ging die Familie im Juli 1975 zunächst für einen Sprachkurs nach Bonn. Eine Woche nach der Ankunft, am 1. August, kam der zweite Sohn Nicolás zur Welt. Im September ging es weiter nach Heidelberg, wo Huneeus promovieren wollte. Marta arbeitete dort zwei Tage in der Woche von 6 bis 14 Uhr in einer Druckerei, ihr Mann hütete derweil die Kinder. In der Druckerei hat sie binnen eines halben Jahres Deutsch gelernt, obwohl die anderen Arbeiter dort Dialekt sprachen. »Das war eine großartige Erfahrung, um das Land schnell kennenzulernen«, erinnert sie sich.
    Im Sommersemester 1976 schrieb sie sich an der Universität Heidelberg für Volkswirtschaft ein, da das Institut für Soziologie dort gerade einen Prozess der Umstrukturierung durchlief und man ihr riet, ein anderes Fach zu studieren. Das Volkswirtschaftsstudium und die damit verbundenen Kurse in Mathematik und Statistik hätten ihr erlaubt, später ihre eigene Firma zu gründen, erklärte sie 2006 in einem Interview mit dem Südwestrundfunk.
    Das dritte Kind der Familie, Josefina, kam 1981 in Heidelberg zur Welt und fünf Jahre später wurde noch Federico geboren. Marta Lagos ist inzwischen zweifache Großmutter.
    Im Juli 1983 kehrte sie nach Santiago de Chile zurück. Huneeus hatte das Angebot bekommen, am Studienzentrum CERC
(Centro de Estudios de la Realidad Contemporánea)
zu arbeiten, das an der Akademie für christlichen Humanismus der katholischen Kirche neu eingerichtet wurde. Ein Jahr später fing Marta Lagos ebenfalls dort an. 1984 entstand die Idee, Umfragen zu machen, und noch im gleichen Jahr fand trotz Diktatur die erste Befragung von Studenten statt.
    Die Jahre 1985 und 1986 verbrachte die Familie dann erneut in Europa: Huneeus hatte eine Lehrtätigkeit an der Universitätvon Siena angenommen. Zurück am CERC, führte Lagos 1987 die erste umfassende, landesweite Meinungsumfrage über die Einstellungen der ChilenenInnen zur Politik überhaupt durch. Dieses
Barómetro de la política
(dt.: Politik-Barometer) des CERC erscheint immer noch alle drei Monate. Lagos ist jedoch nicht mehr daran beteiligt. Das CERC wird heute von Carlos Huneeus geleitet.
    Ein erster Höhepunkt der Arbeit des CERC war die exakte Vorhersage des Ausgangs der Volksabstimmung über den weiteren Verbleib von Diktator Pinochet im Amt. Die Pinochet-Gegner gewannen mit 54 Prozent der Stimmen, womit der Beginn des Übergangs zur Demokratie eingeläutet war. Und Lagos und Huneeus wurden zu gefragten Gesprächspartnern der Medien, wenn es um politische Einschätzungen ging.
    1990 wurde der Christdemokrat Huneeus erster Botschafter des demokratischen Chile in Deutschland. Marta Lagos pendelte nun vier Jahre lang zwischen Bonn und Santiago, denn sie arbeitete bis 1993 weiterhin als Leiterin des CERC. Außerdem
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