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Madru

Madru

Titel: Madru
Autoren: Frederik Hetmann
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das Sofa stünden in hellen Flammen, flüchteten sie weiter in den Garten und auf die Straße. In-nerhalb einer halben Stunde brannte die Sunderman'sche Villa bis auf die Grundmauern nieder, ohne daß man der Ljusdaler Feuerwehr hätte mangelndes Pflichtbewußtsein vorwerfen können. Sunderman aber, entschlossen diesmal zu heiraten, komme was wolle, hatte schon die Braut und deren Dienerin zum Schlag einer bereitstehenden Kutsche geleitet, sich selbst auf den Bock geschwungen und den vier Pferden, die vorgespannt waren, die Peitsche gegeben. Er fuhr in einem Strich bis Glada Hudik, das er am späten Abend erreichte. Dort ließ er sich mit den beiden Frauen sofort zu einer Fregatte hinüberrudern, die im Hafen vor Anker lag. Mit dem Kapitän des Schiffes, einem Engländer aus Bristol, war er seit Jahren befreundet. Sunderman hatte ohnehin an Bord dieses Schiffes seine Hochzeitsreise nach England antreten wollen. Jetzt bat er den Kapitän zunächst, von seinem Sonderrecht, an Bord eine Trauung vorzunehmen, Gebrauch zu machen. Die Mitternacht sah Sunderman und Gunilla in einer Kajüte unter einem Laken ehelich vereint. Ob die Frau den Sunderman'schen Erben gewissermaßen mit abgewandtem Gesicht oder, nach all den Aufregungen und Verhinderungen, nun freudig die damit verbundene Lust genießend, empfing, wird nicht vermeldet. Allein, daß sie empfing, ist sicher. Es wurde Spätherbst, ehe das Ehepaar, das noch Paris und Venedig besucht hatte, nach Ljusdal zurückkehrte und in ein neues Haus einzog, das Sunderman inzwischen, nach aus England übermittelten Plänen, hatte bauen lassen. Die Nachricht, daß Gunilla schwanger war, wurde Madru bald darauf zugetragen und schmerzte ihn. Er erinnerte sich an seine Liebesnacht mit ihr, sah den Feind an seiner Stelle und Wut stieg rot vom Hals bis in sein Gesicht.
    Das Kind kam im Frühjahr zur Welt, ziemlich genau auf den Tag neun Monate nach jener dreimal verhinderten und schließlich doch noch gefeierten Hochzeit. Als Sunderman gemeldet wurde, daß Gunilla ihm einen Sohn geboren habe, ließ er aus einem kleinen Mörser, der extra zu diesem Zweck angeschafft worden war und heute ebenfalls im Heimatmuseum steht, zwölf Schüsse abfeuern, die Leute mit scharfen Ohren, aber wohl auch dank der günstigen Windverhältnisse, welche an diesem Tag herrschten, bis Färila hörten. Auch Madru hörte sie.
    An seine Verrücktheit im letzten Sommer dachte er unter Kopfschütteln. Scham empfand er darüber, daß er seine kostbaren Gaben, die einmalige Macht über Wasser, Luft und Feuer, aus Liebestollheit und persönlicher Rachsucht so leichtsinnig vertan hatte. Er fürchtete, Bru werde ihn eines Tages noch deswegen zur Rechenschaft ziehen.
    Im übrigen war er zufrieden. Die kleinen Leute hatten einiges erreicht.
    Alles hatte mit einem wütenden Schneesturm begonnen, der in der ersten Dezemberwoche aus Osten losgebrochen war und dann über dreißig Tage hin an Heftigkeit nicht nachließ. Tiefer drinnen im Großen Wald waren alle Wege unpassierbar geworden. Auf dem Fluß versperrte Packeis den Flößern den Weg. Anfang Januar schien sich das Wetter zu bessern. Es gab ein paar wärmere Tage, doch bald setzte der Schneefall abermals ein, dicht und heftig, unheimlich, weil der Schnee eine so bläuliche Färbung hatte. Kein Holz kam auf den Schneisen, von Gespannen geschleift, herab, noch kam welches über den Fluß. Drei Wochen konnte kein Holz eingeschlagen werden. Die Sägen standen still. Die Männer kehrten von den großen Einschlägen zurück, verkrochen sich mißmutig in den Hütten bei ihren Frauen und Kindern. Sie brachten kaum Geld heim. Diese drei Wochen waren die schwersten seit Jahr und Tag. Viele kleine Kinder und ältere Leute starben an Hunger.
    Die »Aurora« erschien während der Zeit des Blauen Schnees, wie diese Periode später genannt wurde, ohne Unterbrechung jeden Freitag. Trotz der miserablen Wegverhältnisse gelang es der einen Frau und den drei Männern, die von ihnen geschriebene und gedruckte Zeitung auch auszutragen. Die »Aurora« wurde in diesen drei Wochen kostenlos abgegeben. Madrus Vorrat an alten Reichstalern schmolz dahin. Das Leben der vier Menschen in der »Aurora«-Baracke unterschied sich kaum von dem der Bauern und arbeitslosen Waldarbeiter. Sie hatten wenig zu essen. Schnaps zu kaufen, daran war nicht zu denken. Es war lange draußen dunkel. Die fallenden Schneeflocken leuchteten gedämpft bläulich. Schwerfällig ging die Arbeit von der Hand. Die »Aurora«
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