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Madru

Madru

Titel: Madru
Autoren: Frederik Hetmann
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nieder. Die Hochzeitsgesellschaft machte sofort wieder kehrt. Man zog sich in die Villa zurück, um abzuwarten, bis das Schlimmste vorbei war. Es sind später über die Ereignisse viele übertriebene Erzählungen verbreitet worden. Es gab einen Moritatensänger, der darüber ein Lied verfaßte und sich eine Schautafel malen ließ, die heute im Heimatmuseum der Provinz Norrland in Glada Hudik betrachtet werden kann. Fast gleichzeitig mit dem Gewitter, und nicht erst als Folge der mit ihm verbundenen Niederschläge, wie später häufig behauptet worden ist, um den Ereignissen den Anstrich von Wahrscheinlichkeit und Übereinstimmung mit den Naturgesetzen zu geben, trat der Fluß über seine Ufer. Die Brücke wurde fortgerissen. Im Nu hatten sich Straßen und Gassen der Stadt in Ströme und Bäche verwandelt. Vor Sonnenuntergang konnte niemand sein Haus wieder verlassen. Die Keller liefen voll. In vielen Straßenzügen mußten auch die zu ebener Erde liegenden Räume geräumt werden.
    Auch der Hochzeitsgesellschaft in der Villa Sunderman blieb nichts anderes übrig, als sich in den ersten Stock zu flüchten. Schon zu Mittag war klar, daß man gut daran tun werde, die Trauung in der Kirche zu verschieben. Man hätte mit Kähnen hinfahren müssen, was Sunderman lächerlich fand.
    Am Morgen des anderen Tages, als die Nachricht von der verschobenen Hochzeit nach Färila gelangte, sah Jule wie Madru selbstgefällig lächelte. Als sie ihn fragte, was ihn so belustige, erwiderte er, es freue ihn, daß Sundermans Hochzeit im wahrsten Sinn des Wortes ins Wasser gefallen sei.
    »Sei nicht so kindisch«, schalt ihn Jule, »ob er nun heute oder morgen heiratet. Was soll's. Einmal wird er Gunilla mit kirchlichem Segen zur Frau nehmen. Du wirst ihn bestimmt nicht daran hindern.«
    »Warten wir's ab«, sagte Madru trotzig, »… noch gibt es Wind und Feuer.«
    Jule machte eine geringschätzige Handbewegung wie gegenüber einem Narren, mit dem man nicht streiten will.
    Als aber genau eine Woche später die Wagen des Hochzeitszuges wieder vorgefahren waren, als Bräutigam und Braut, Brautjungfern und die anderen Hochzeitsgäste eben aufbrechen wollten, erhob sich ein so scharfer Wind, der sich bald zu einem Sturm und schließlich zu einem Orkan steigerte, daß sie abermals kehrt machen und im Haus Schutz suchen mußten. Ganze Bäume wurden entwurzelt, Dächer abgehoben, ein Pferd von einem herabstürzenden Ast erschlagen. Der Wind jagte mit unverminderter Gewalt durch die Stadt, bis die Sonne hinter dem Horizont versank. Langsam gaben die von Regen und Wind verhinderten Hochzei-ten des Herrn Sunderman den Leuten zu denken. Spottverse und Witze liefen in der Provinz um. Der Bräutigam kümmerte sich einen Dreck darum. Die Braut sah immer starrer und trauriger drein. Sunderman äußerte leichthin, aller guten Dinge seien drei. Um nicht mehr über die Straße zu müssen und dabei den Launen des Wetters ausgesetzt zu sein, bestellte er nun den Segensmann zu sich, unter das eigene Dach. Er hatte ein Zimmer als Kapelle ausstatten und weihen lassen und aus diesem Anlaß eine bedeutende Stiftung für das Städtische Siechenhaus gemacht. Mit dem Geistlichen hatte er vereinbart, die Trauung solle gleich nach einem Festessen am frühen Nachmittag vollzogen werden. Danach wollte das Paar mit unbekanntem Ziel zu seiner Hochzeitsreise aufbrechen. Der Pfarrer hatte Skrupel gehabt … wegen des Banketts vor der Trauung. Der rechten Sitte und Gebräuchlichkeit nach, hätte man's umgekehrt halten müssen.
    Aber die für das Siechenhaus gestiftete Summe war fünfstellig. Somit durfte der edle Spender erwarten, daß man auf seine Sonderwünsche Rücksicht nahm.
    Diesmal schien alles gut zu gehen. Man setzte sich zu Tisch. Draußen war idyllisches Sommerwetter. Kein Windchen regte sich. Es war eine lange Tafel, an der vierzig Personen Platz genommen hatten. Der Portwein war schon getrunken, die Suppe war schon geschöpft, da stürzten, wie von Geisterhand bewegt, die drei silbernen Leuchter mit jeweils sechs, bis dahin ruhig brennenden Kerzen, plötzlich um. Zunächst geriet die Tischdecke in Brand, und zwar derart rasch und gründlich, daß man des Feuers auch dann nicht Herr wurde, als man sich entschloß, einen Eimer mit Wasser über dem Tisch auszuleeren. Die Gäste hasteten, angesichts einer wahren Flammenwand, die bis zur Decke reichte, aus dem Saal auf den Flur. Später, als die Hiobsbotschaft kam, auch die Gardinen, die Seidenbezüge der Stühle und
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