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Madru

Madru

Titel: Madru
Autoren: Frederik Hetmann
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Für den Bruchteil eines Moments war es ihm tatsächlich, als ertasteten seine Finger wieder die zärtliche Weichheit der Felle, aber sie griffen ins Leere.
    Er merkte nun auch, daß er nicht ging, sondern schwebte. Er versuchte aufzustampfen, aber unter seinen Füßen war nichts. Seine Beine schienen lang und länger zu werden, ohne daß er auf etwas Festes stieß, das ihm Halt gab.
    Immer größere Flocken von Ruß und Asche wirbelten an ihm vorbei. Er hörte sich selbst sagen: Es kann auch nicht die Nacht sein. Die Nächte sind viel heller hier. Wo bin ich nur? Wohin habe ich mich verirrt? Ist hier niemand? Es wurde ihm klar, daß, wenn er sprach, seine Worte lautlos blieben, daß sie in ihm selbst eingesperrt waren.
    Plötzlich sah er sich selbst. Seine Augäpfel hingen im Raum. Er blickte auf die Gestalt mit den leeren Augenhöhlen. Mit den Armen machte sie rudernde Bewegungen … schwamm durch den Raum davon, der ohne Ende war.
    Die Bewegungen der Gestalt, die er selbst zu sein schien, hatten in ihrer Langsamkeit auch etwas Lächerliches an sich. Aber er meinte, nun auch zu begreifen, was mit dem Mann in der Ritterrüstung geschah, der in die Leere hinein davonstampfte, der durch die Dunkelheit schwebte, keinen Halt fand und dessen Beine in nichts als in von Ruß geschwärzte Luft traten. Es schien ihm jetzt selbstverständlich, daß dieser Mann tot war, daß er sich nun unterwegs durch die Anderswelt auf dem Weg ins Totenreich befand. Der Wind, der Ruß und Asche aufwirbelte, wurde immer wärmer. Die Luft roch faul. Dem Ritter fiel es immer schwerer, voranzukommen. Plötzlich kamen alle Bewegungen – die des mächtig wehenden Luftstroms wie die des sich abmühenden Mannes, dessen Gesicht schweißüberströmt war und dessen Glieder vor Anstrengung zitterten – wie durch einen Bann zum Stillstand. Die Augen saßen wieder in ihren Höhlen, und er war wieder in dem Mann, dem er für eine Weile bei seinem sinnlosen Treiben zugesehen hatte.
    Die Luft wurde zu flüssigem Glas, das augenblicklich erstarrte und ihn in sich einschloß. Angst überfiel ihn. Er meinte ersticken zu müssen in diesem gläsernen Gefängnis.
    Er holte mit der einen Hand aus, die plötzlich in einem eisernen Handschuh steckte. Das Glas (oder war es Eis?) erwies sich als nicht so dick, wie er zuerst gemeint hatte. Zunächst splitterte es nur vor seinem Gesicht. Er versuchte, mit einer ruckartigen Bewegung seinen Körper nach oben schnellen zu lassen. Er durchstieß das Glas, das Eis oder was immer es war. Jetzt schoß er durch Wasser, das an seiner Oberfläche trübe und stinkend war. Er befand sich in der Mitte eines Flusses, der sehr breit schien. Etwas in ihm sagte: du mußt dich entscheiden, welches Ufer du erreichen willst. Irgendwann kroch er durch Schlamm ans Land. Seine Rüstung zerbröckelte, als sei sie aus Sand. Das Erdreich am Ufer bestand aus fein zermahlener Lava. Dazu wurden auch die Teile seiner Rüstung, als sie von ihm abfielen.
    Später begegnete er einem Mann, der, wie er selbst, nur noch die Lumpen seiner Kleidung auf dem Leib trug. »Wohin?« fragte er den Mann.
    »Na, wohin wohl«, erwiderte der Mann mürrisch, »natürlich auf die andere Seite!«
    »Gibt es irgendwo eine Brücke?«
    »Brücken? Was ist das? Nie gehört davon. Ich suche eine Furt«, sagte der Mann und tappte in der entgegengesetzten Richtung wie Jessach auf dem Lavastrand davon, auf dem hier und da Holztrümmer lagen. Es schien Nacht zu sein. Aber die Nacht neigte sich schon ihrem Ende entgegen.
    Je weiter er ging, desto heller wurde es an einem bestimmten Punkt am Horizont. Dann sah er, wie sich langsam ein voller, blaßroter Mond in den leeren Himmel schob. Er ging weiter und kam schließlich an eine Stelle, wo etwas, das wie eine Landungsbrücke aussah, vom Ufer in den Fluß vorragte. Am Ufer stand ein Schuppen. In der Form erinnerte ihn das Gebäude an einen übergroßen Sarg. Er suchte eine Tür. Es gab keine Tür. Er suchte nach Fenstern. Es gab keine Fenster. Dann hörte er Hundegebell und das leise Rieseln von Lavasand. Ein Wesen, das statt eines menschlichen Kopfes einen Hundeschädel auf den Schultern trug, stand vor ihm.
    »Was willst du?« fragte das Wesen. Jessach fiel keine Antwort ein, so erschrocken war er über diese Erscheinung. Geifer troff ihr aus dem Hundemaul. Er wollte sein Schwert ziehen, aber da war kein Schwert.
    »Was wirst du schon wollen«, sagte das Wesen mit dem Hundeschädel, »hinüber wirst du wollen wie all die
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