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Madru

Madru

Titel: Madru
Autoren: Frederik Hetmann
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Der Mann draußen antwortete mit der Parole. Jessach ging zu ihm hinaus.
    Das Trommeln schien überall zu sein. Wo das herkomme, fragte er den Soldaten. Das wisse er auch nicht, sagte der Mann kleinlaut. »Schaff mir den Sergeanten her. Nein, warte. Ich komme mit dir. Führ mich zu seinem Quartier.«
    Unterwegs sagte der Soldat: »So geht das nun schon seit Stunden. Ich war auf Wache. Ich durfte meinen Posten nicht verlassen. Es werden wohl die Waldmenschen sein.«
    »Nein, es sind nicht die Norrländer.«
    »Ach«, sagte der Soldat, »wer ist es dann?«
    »Der Hundemann … Wir werden dem ein Ende machen.«
    »Der Hundemann?«, wiederholte der Soldat. Er begriff nicht, was damit gemeint war.
    Sie waren nun vor dem Haus angelangt, das sie suchten.
    »Es ist merkwürdig mit diesem Trommeln«, sagte der Soldat, »zuerst meinte ich, sie übermittelten Botschaften. Sie warnten die anderen vor uns. Aber das kann es nicht sein. Es hat etwas anderes auf sich damit. Wenn man es lange hört, sieht man Bilder. Schreckliche Bilder. Längst vergessenes Zeug, an das man sich besser nicht erinnert. Geht Euch das auch so, Herr?«
    Jessach gab keine Antwort. Bei sich dachte er: Es muß ein Ende haben. Das ist schlimmer als Folter. Dieses Geräusch soll aufhören. Rasch. Sofort. –
    Dreißig Männer rannten durch das fahle Licht dieser Stunde zwischen Nacht und Tag. Er ihnen voran. Immer noch dröhnte ihnen der Trommelklang in den Ohren, wühlte Bilder der Angst in ihnen auf, von denen keiner zu reden wagte.
    Der Ritter hatte befohlen: »Sucht den Trommler und tötet ihn auf der Stelle!«
    Auch ohne diesen Befehl wäre jeder der dreißig bereit gewesen zu töten. Sie ließen ihre Schwerter probeweise durch die Luft sausen, um sich so Mut zu machen. Sie hasteten an den leerstehenden Hütten vorüber. Einmal im Lauf blickte Jessach in die Ferne. Dorthin, wo hinter den Hütten der Wald begann. Die Stämme – hochaufgewachsene schwarze Wächter. Gespenster auf Stelzen. Die Zweige bauschten sich zu Mantelärmeln auf, hinter denen sich Gesichter verbargen. Schwankend, weil wie aus einem Traum aufgeschreckt, unbeholfen durch ihre Größe, bewegten sich die Bäume auf sie zu. Der Waldrand wurde zur Front eines Heeres. »Sie kommen .. . die Waldmenschen kommen zurück!« schrie einer, der auch dorthin geschaut hatte.
    »Maul halten!«, hörte Jessach den Sergeanten hinter sich. »Hasenfuß«, schimpfte Jessach, »das sind keine Waldmenschen. Das sind Bäume. Die Äste von Bäumen. Fürchtet ihr euch vor Bäumen?«
    »Die machen uns fertig!« hörte er es hinter sich keuchend flüstern. »Bäume.« War es die Trommel, die dieses Wort ständig wiederholte, oder war es eine Stimme, die in seiner Brust eingesperrt war? Jessach wurde es kalt an den Schenkeln. Als ob seine Beine abstürben. Er vermochte sie kaum noch zu bewegen.
    Von einem breiten Weg zwischen den Hütten bog der voranstürmende Trupp auf den Anger ein.
    Trotz Jessachs wiederholter Kommandos, trotz ihres eigenen wütenden Willens, dieser angstanhexenden Trommelei ein Ende zu machen, blieben sie einen Augenblick alle wie gebannt stehen. Dort, wo Jessach am späten Nachmittag seine Mannschaft hatte antreten lassen, dort, wo er mit dem Dorfältesten verhandelt hatte, war ein übermannshoher Reisighaufen aufgetürmt, der lichterloh brannte. Daneben, beleuchtet von der im Funkenflug ausfasernden Lohe, saß ein Mann mit einem sonderbaren Kopfschmuck, einem Turban aus glänzendem Seidenstoff, in den ein Gebinde aus Federn gesteckt war, und trommelte. Er trug einen weiten Mantel, der ebenfalls über und über mit Federn besetzt war, so daß man im ersten Augenblick hätte meinen können, ein riesiger Vogel habe sich dort niedergelassen. Aber dann wurde Jessach an der Bewegung der Arme gewahr, daß es ein Mensch war, der dort saß.
    Mit geradezu hämischer Freude stießen die krallenhaften Finger des Alten immer wieder auf den mit einer pergamentfarbenen Haut bespannten Kasten nieder, aus dem die die Bilder hervortreibenden Rhythmen drangen.
    »Die Schwerter!« hörte Jessach den Sergeanten rufen. Von dem Sturmlauf der Mannschaft wurde auch Jessach mit fortgerissen. Obwohl er gegen eine merkwürdige Lähmung ankämpfen mußte, gelang es ihm, sein Schwert aus der Scheide zu reißen. Dann waren sie heran, und er stach zwei-, dreimal zu, wie die anderen auch, stach ein auf dieses schwankende Kleiderbündel, das schon Blut spie. Darauf rannte er weiter, aus dem Lichtkreis des Feuers hinaus
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