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Made in Germany

Made in Germany

Titel: Made in Germany
Autoren: Kaya Yanar
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Ranzen: Mäppchen, Rosen, Pralinen, Kerzen

    Ich habe mir damals gesagt: „Kaya, wenn du nicht so gut bist, dann machst du was ganz Schlaues: Du setzt dich neben einen Klassenkameraden, der besser ist – und schreibst einfach ab!”
    Bei uns in der Klasse hatten wir allerdings ein Problem: Bei uns gab’s nichts abzuschreiben! Wir waren alle gleich doof! Vor allem in der Reihe, in der ich saß: Denn ich saß zusammen mit Francesco, Hakan und Ranjid!
    Der Ranzecheck:
    Inhalt von Ranjids Ranzen: Mäppchen, Ersatzpullunder, Curry, Heu für Benytha
    Inhalt von Hakans Ranzen: DU GUCKST HIER NED REIN!!!
    Wir saßen alle nebeneinander. Ein Duplo-Riegel von Idioten! Aus uns vier Vollpfosten hätte man ein prima Hochbett bauen können! Wir hatten Spaß, wir hatten Freude, wir hatten Bock – aber wir hatten alle vier keine Ahnung!
    Bei Klassenarbeiten war es jedes Mal das Gleiche: Ich flüsterte zu meinem Nachbarn: „Pssst, Francesco, hast du eine Ahnung?”
    Francesco sah mich verzweifelt an und flüsterte zurück: „Nein, isse habe keine Ahnung, frag isse de Hakan. Pssst, Hakan, hasse du eine Ahnung?”

    Hakan reagierte auf seine damals schon so unverwechselbare Art:
    „Willst misch krass beleidigen, oder was? Hab isch natürlich konkret keine Ahnung!”
    Und dann brüllte Hakan seinem Nachbarn ins Ohr: „RANJID! INDER! HÖRST DU HIER! HAST DU SCHEISSE AHNUNG?”

    Nachdem er vor Schreck beinahe in die Hose gemacht hätte und dann stumm wimmernd den Kopf geschüttelt hatte, sprach Ranjid den Letzten in der Reihe an: „Benytha, kannst du mir vielleicht helfen?”
    „Muuuuuh!”
    Und wenn man unserer Lehrerin glauben darf, war Ranjids Kuh Benytha noch die Cleverste in unserer Reihe!

    Einen weiteren Beweis dafür, wie blöd wir waren, liefert die folgende Geschichte. Einmal kam die Lehrerin auf Francesco zu und sagte: „Francesco, ich möchte wissen, ob du heute in der Stunde aufgepasst hast!” Francesco strahlte über das ganze Gesicht: „Natürlich isse habe aufgepasste, schöne Signorina! Sie habe heute an de rote Büstehalter!” Es gab nur drei Wesen im Klassenraum, die nicht in schallendes Gelächter ausbrachen: die Lehrerin, der arme Francesco – und Benytha!

    Auch Ranjids Cleverness wurde von der Lehrerin negativ getestet. Sie wollte einmal von ihm wissen: „Wie heißt das Kleidungsstück, das man am Fuß trägt, wenn es draußen regnet?”
    „?”
    „Ein Gummistiefel, Ranjid! Was trägt man dann an beiden Füßen?”
    „?”
    „Zwei Gummistiefel, Ranjid! Jetzt hab ich aber genug. Wie nennt man den Mann, der im Weißen Haus lebt und Millionen von Amerikanern regiert?”
    „Hihi! Das ist einfach: drei Gummistiefel!”

    Hakan war der Bescheuertste von uns allen: Wir hatten unsere Klassenarbeiten zurückbekommen. Ich hatte eine Drei, Hakan, der direkt neben mir gesessen hatte, eine Fünf. Er war damit nicht einverstanden und meldete sich mitten im Unterricht:
    „Lehrerin!! Komm mal ganz kurz her! Guckst du.
Pass auf: Der Kaya hat Note Drei, isch habe krasse Note Funf. Dabei hab isch dasselbe geschriebe wie der!”
    „Ja, ja, ich weiß”, sagte die Lehrerin. „Kaya schrieb bei Frage vier: „Weiß nicht.” Und du hast geschrieben: „Ich auch nicht!”

    Die Blödheit war für uns Jungs aber nicht das Schlimmste – zumindest für mich war sie später sogar Berufsvoraussetzung. Viel schlimmer als die Blödheit war: Wir waren hässlich! Potthässlich! Denn wir alle trugen Brillen! Aber nicht so süße kleine Harry-Potter-Nickelbrillen wie heute! Nein, wir reden von den 80er Jahren! Da trugen wir Brillen, für die man noch richtig Geld bekam – für den Materialwert! Aus dem Glas meiner Brille hätte man fünfzehn Schaufenster machen können! Und das Gestell war kein Gestell – das waren Stahlträger! Die Brille war größer als die ganze Fresse! Wir konnten den anderen Kindern nicht in die Augen gucken – aber nicht, weil wir uns so schämten, sondern weil die schweren Brillen unsere Köpfe nach unten zogen.
    Und wovon hatten wir Jungs so schlechte Augen? Richtig: vom Computerspielen. Wir haben jeden Tag
Computer gezockt. Damals gab es aber noch kein augenfreundliches Nintendo DS mit HD, LCD und noch was mit „D”. Nein, ich rede von Commodore 64! Mit Datasette! Bei dem man drei Stunden warten musste, bis endlich ein Bild kam! Und das konnte man dann nicht mehr erkennen, weil die Augen bis dahin im Eimer waren! Ein Teufelskreis!

    Die Mädels wollten natürlich nichts von uns Brillenmonstern
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