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Made in Germany

Made in Germany

Titel: Made in Germany
Autoren: Kaya Yanar
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berichtete kichernd von einer Situation, in der auf Sprache verzichtet wird:

    Starke Argumente der drei Jungs, aber natürlich sprechen auch sie von morgens bis abends. Wir vier sind Wort-Typen. Wir reden für unser Leben gern. Ich rede mit meinen Lesern, Francesco redet mit Frauen, Ranjid redet mit Kühen, und Hakan redet mit türkischem Akzent. Wir lieben Sprache!
    In letzter Zeit wird Sprache jedoch immer mehr zum Politikum. Die Parteien fordern, dass in Deutschland lebende Ausländer ihre Deutschkenntnisse verbessern sollen, um sich besser zu integrieren. Eine gute Idee! Ich
bin sicher, dass das hervorragend funktioniert! Wenn alle Ausländer fleißig Deutsch lernen, heißt es an den Bushaltestellen in Berlin-Neukölln bald nicht mehr: „Gibst du mir die Handy, du Arsch!”, sondern: „Bitte ermöglichen Sie gemeinsam mit mir den unbürokratischen Besitzerwechsel bezüglich Ihres Mobiltelefons.”
    Einige Politiker vertreten folgende Ansicht: Viele Ausländer weigern sich, die deutsche Sprache zu erlernen, weil sie „integrationsunwillig” sind. Das mag auf manche Ausländer auch zutreffen, aber möglicherweise trauen sich viele diese Aufgabe einfach nicht zu! Die deutsche Sprache ist nämlich unheimlich kompliziert. Mir persönlich fiel es leicht, Deutsch zu lernen – ich bin in Frankfurt groß geworden (dafür ist mein Türkisch miserabel!). Aber Menschen, die nicht hier aufgewachsen sind, tun sich schwer. Wenn das Erlernen der deutschen Sprache so einfach wäre, dann hätte mich mein Vater sicherlich öfter einmal „mein Zögling”, „der Nachwuchs” oder „mein Stammhalter” genannt, und nicht immer nur „Arschkopf”!
    Ein weiterer Ausländer, der mit der deutschen Sprache seine Probleme hatte, war der amerikanische Präsident John F. Kennedy: Er sprach am 26. Juni 1963 in Berlin seinen berühmten Satz „Ich bin ein Berliner”, was inhaltlich natürlich vollkommener Quatsch war, denn Johnny kam aus Massachusetts. Vermutlich hatte er nur Hunger und wollte eigentlich sagen: „Ich will einen Berliner!” Ein bedauerliches Missverständnis, aber immerhin besser, als wenn er gesagt hätte: „Ich bin ein Arschkopf!”
    Schon der große amerikanische Schriftsteller Mark Twain erkannte die Tücken der deutschen Sprache. 1897 hielt er vor dem Presseclub in Wien einen Vortrag mit dem Titel „Die Schrecken der deutschen Sprache”.
Dort forderte er, die deutsche Sprache zu vereinfachen: „Ich würde nur einige Änderungen anstreben. Ich würde bloß die Sprachmethode (...) zusammenrücken; (…) die Einführung von mehr als dreizehn Subjekten in einen Satz verbieten; das Zeitwort so weit nach vorne rücken, bis man es ohne Fernrohr entdecken kann. Mit einem Wort, meine Herren, ich möchte Ihre geliebte Sprache vereinfachen, auf dass, meine Herren, wenn Sie sie zum Gebet brauchen, man sie dort oben versteht.”

    Es heißt immer, die Eskimos haben über hundert Wörter für „Schnee” – aber dafür haben sie auch nur eins für „Boris Becker”! Im Deutschen hingegen: „Boris”, „Bobbele”, „Der Leimener”, „Der ehemalige Achtzehnjährige”, „Bum-Bum Boris”, „Der Rothaarige”, „Der jüngste Wimbledon-Sieger aller Zeiten”, „Mister Besenkammer”, „Papa”, „Der männliche Steffi Graf”, „Der Depp”, „Die Wurst”!
    … Wie soll ein Ausländer da durchblicken?
    Die Liste der offenen Fragen in Bezug auf die deutsche Sprache ist endlos. Hier eine willkürliche Auswahl:
    Warum wird „Kuss” mit zwei „s” geschrieben, „Bus” aber nur mit einem? Weil man für einen Kuss zwei Leute braucht, im Bus aber auch alleine sitzen kann?

    Warum wird Paris Hilton jeden Morgen von ihrem Stylisten her gerichtet und nicht hin gerichtet?
    Warum heißt es „Ich reite einen Esel – schon gestern ritt ich ihn”, aber „Ich leite einen Deutschkurs – schon gestern leitete ich ihn?” Warum nicht „litt”? Weil die Schüler schon litten?
    Man muss schon sehr fleißig sein, um all die Feinheiten der deutschen Sprache zu verstehen und umzusetzen. Mein Kumpel Hakan hat sich mal die Mühe gemacht und einen Volkshochschulkurs „Deutsch für Ausländer” belegt. Und Hakan musste miterleben, dass sogar der Lehrer den Überblick verlor.
    Der Lehrer sagte: „Hakan, konjugieren Sie einen Satz, den Sie im Alltag häufig verwenden!”
    Und Hakan legte los:
    „Isch haue ihm in die Fresse!
    Du haust ihm in die Fresse!
    Er/sie/es haut ihm in die Fresse!
    Wir hauen ihm in die
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