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Madame Zhou und der Fahrradfriseur

Madame Zhou und der Fahrradfriseur

Titel: Madame Zhou und der Fahrradfriseur
Autoren: Landolf Scherzer
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Glas davon kostet, sondern will wissen, was ein chinesischer Bauern-Handwerker im Compound am Tag verdient.

    Der Wald der Hochhäuser
    »Umgerechnet vielleicht 4 Euro«, sagt Klaus.
    »Und der kleine salutierende Wachhabende?«
    »Wahrscheinlich weniger als 4 Euro.«
    Im Pub sitzen außer uns nur zwei Englisch sprechende Inder (deren Väter Pubs vielleicht noch aus der Kolonialzeit gekannt haben) und zwei noch sehr kindlich aussehende Männer, die »I will love«-T-Shirts tragen. Sie schreien enthusiastisch, wenn sie beim Billard die Kugel im Loch versenken. Auf dem Bildschirm des Fernsehers, der neben dem Billardtisch steht, lehren Chinesen Kung-Fu, und zwischen den einzelnen Übungen werben bekannte chinesische Sportler für die Erhöhung der Lebensfreude durch Marlboro, McDonald’s und Mercedes. Nach kurzer Zeit schaue ich weg, denn ich will nicht sehen, wie sich Erwachsene regelmäßig ins Gesicht schlagen, während ich chinesisches Bier trinke und Erdnüsse esse.
    Bevor Monika per SMS ihr sofortiges Kommen ankündigt, haben wir zwei Bier (ich, wegen des Geldes und weil ich keinBierkenner bin nur chinesisches) getrunken und drei Schalen Erdnüsse aufgegessen.
    Schon als Monika nach ihrer Hand-zu-Hand-Begrüßung mit »Durty Nellies« die Treppe heruntertrippelt, gießt der Keeper ihr ein Glas »Stella Artos« ein. Monika hat ihre dunkelblonden Haare mit einem roten Samtband zusammengebunden. Sie trägt einen hellblauen Schal mit Fransen über dem kurzen Mantel. Die Hosen sind zwar weit, lassen aber einen sehr fraulich geformten Körper ahnen. Sie sieht erschöpft aus, umarmt mich schnell und heftig und lacht, aber ihr Blick hetzt dabei im Pub umher, als ob sie Bekannte suchen würde. Nach dem dritten Bier und der vierten Schale Erdnüsse gehen wir, verabschieden uns mit Hände-Klatschen von der dicken irischen Frau und fahren zum Essen in ein chinesisches Sichuan-Restaurant. Es ist nach der Provinz benannt, in der vor allem scharf gewürzte Gerichte angeboten werden.
    Der Autoverkehr hat sich auch am Abend kaum verringert, doch inzwischen leuchten an den Straßen, Bäumen, Fassaden und Brücken rote, blaue, goldene und silberne Lichterketten. Die an jeder Straßenecke im Winde schaukelnden funkelnden Glitzersterne schmücken Peking schon jetzt für das Weihnachtsfest. Vor allem die in Peking lebenden Ausländer und die wenigen christlichen Chinesen begehen es, so erklärt mir Klaus. Das Nachahmen des westlichen Brauchs animiert die Pekinger zum Einkaufen und dient nur dem Kommerz.
    Die Illuminatoren (Chinesen waren auch die Erfinder von Illumination und Feuerwerk) haben das Sichuan-Restaurant hinter einem beweglichen Vorhang aus winzigen hellblauen elektrischen Lichtertropfen versteckt. Wir wollen zu dem großen Parkplatz neben dem Restaurant fahren, doch obwohl es in Peking, wie Klaus versichert, an die 3000 Restaurants geben soll, ist die Einfahrt hoffnungslos überfüllt. Wir stehen, rechts blinkend, hilflos auf der Hauptstraße. Hinter uns hupen und blenden die sich scheinbar immer mehr ineinander verkeilenden Autos.Doch das stört weder Klaus noch die vier Männer, die wie Geisterbeschwörer um die Wagen herumtanzen, die zum Restaurant abbiegen wollen. Einer klopft an unsere Fensterscheibe und sagt, wir sollten aussteigen, ihm den Autoschlüssel geben und die 80 Meter bis zum Restaurant laufen. Er gehöre zum »Sichuan«, werde das Auto wahrscheinlich in der nächsten Stunde in eine Lücke fahren können und den Schlüssel danach im Restaurant abgeben. Dort soll Klaus ihn sich nach dem Essen wiederholen. Monika schüttelt den Kopf, doch Klaus überreicht dem Unbekannten den Autoschlüssel. Der steigt ein, nimmt eine Illustrierte aus der Jacke und beginnt, während das Hupen hinter ihm immer lauter wird, mit stoischer Ruhe zu lesen.
    An der Tür des Restaurants begrüßen uns schöne Frauen in knöchellangen und bis zu den Hüften geschlitzten enganliegenden roten Kleidern. Das Restaurant hat zwei Etagen. Unten gibt es keinen freien Platz, doch oben räumen zwei Kellnerinnen gerade einen Tisch ab. Sie werfen die neben den Tellern liegenden Essensreste mitsamt der Papierdecke in eine Mülltonne, die sie hinter sich herziehen und kehren auf dem Boden liegende Knochen zusammen.
    Auch am Nachbartisch schieben laut schwatzende Chinesen, wenn sie auf ihrem Teller Platz brauchen, die Reste vom Teller auf den Tisch, und wenn sie Platz auf dem Tisch haben wollen, werfen sie die Knochen vom Tisch herunter. Aber nicht
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