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Macht Musik schlau?

Macht Musik schlau?

Titel: Macht Musik schlau?
Autoren: Lutz Jäncke
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bildhaften Verarbeitungsstrategien (wie Vorstellung, Visualisierung etc.) führt. Um dies zu erläutern, führt Shaw Beispiele von außergewöhnlichen Menschen an, die infolge ihrer besonderen Fähigkeit mit solchen visuellen Vorstellungsstrategien außerordentliche Leistungen erbracht hätten. So wird eine Autistin dargestellt, die aufgrund ihrer hervorragenden Fähigkeit, sich mental Bilder vorzustellen, zu bemerkenswerten neuen Erkenntnissen in der Viehhaltung gekommen sei, weil sie sich indie Lage habe versetzen können, quasi virtuell als Tier durch die Tierhaltungsanlagen zu streifen. Im Zuge solcher Darstellungen kommt Shaw zu dem Schluss, dass Mathematik und Musik Gemeinsamkeiten hätten. Als Beleg führt er unter anderem an, dass die «alten» Griechen Musik als einen der vier Zweige der Mathematik aufgefasst hätten. Des Weiteren gibt er an, dass schon bekannt sei, dass eine Korrelation zwischen Musik- und Mathematikleistungen bestehe. Durch diese inhaltliche Nähe führe die Stimulation mit Musik zu einer räumlich-zeitlichen Hirnaktivierung, die ähnlich jener sei, welche auch beim optimalen Lösen von Mathematikaufgaben vorteilhaft ist. Aber warum gerade Mozart-Musik?
    Shaw gibt an, deshalb gemeinsam mit Frances Rauscher Mozart-Musik gewählt zu haben, weil Wolfgang Amadeus Mozart bereits im Alter von vier Jahren komponiert habe, ohne eine Note seiner Niederschriften zu korrigieren. Offenbar wird dies als Hinweis auf seine außergewöhnlichen Fähigkeiten im Hinblick auf die Visualisierung von Noten und die daraus abgeleitete Lern- und Speicherfähigkeit herangezogen. Aus diesem Grunde sind sie offenbar davon ausgegangen, dass die vermuteten außergewöhnlichen visuellen Fähigkeiten von Wolfgang Amadeus Mozart sich auch in der von ihm komponierten Musik niedergeschlagen hätten. Des Weiteren sollte wohl diese Musik wiederum die gleichen Hirnaktivierungen beim Hörer hervorrufen, welche bei Mozart vorlagen, als er die Musik komponierte. Rauscher und Shaw haben zwar nie explizit den Bezug zu Mozarts Hirnaktivierungen gezogen, aber aus den wenigen ihrer diesbezüglichen Zitate ist für mich nur diese logische Schlussfolgerungskette (Shaw, 2001) nachvollziehbar: «Frances Rauscher and I chose Mozart since he was composing at age 4 and could write down an entire composition without changing a note. Thus we felt that Mozart was the prime candidate for his music to resonate with the innate columnar cortical structure.»
    Aufgrund dieser Überlegungen kam es zu der ersten Studie, in der die kurzfristige Wirkung des Hörens einer Mozart-Sonate auf das Lösen von räumlichen Aufgaben untersucht wurde. In dieser Publikation berichten Rauscher und Kollegen über ein Untersuchungsergebnis, das bis heute insbesondere die populärwissenschaftliche Presse interessiert. Die Forscher hatten insgesamt 36 College-Studenten untersucht, die drei unterschiedlichen Bedingungen ausgesetzt waren: In einer Bedingung hörten die Versuchspersonen die ersten zehn Minuten von Mozarts Sonate für zwei Klaviere in D-Dur (KV 448). In einer zweiten Bedingung hörten die Versuchspersonen Entspannungsinstruktionen und in der dritten Bedingungsaßen die Versuchspersonen in völliger Stille und hörten demnach nichts. Unmittelbar nach jeder Versuchsbedingung waren die Versuchspersonen angehalten, jeweils einen Untertest des Stanford-Binet-Intelligenztestes zu bearbeiten. Hierbei handelte es sich um einen Test, der insbesondere räumlich-intellektuelle Leistungen erfasst (Musteranalyse, Matrizentest und ein so genannter Papierfaltetest). Rauscher und Kollegen stellten eine vorübergehende Steigerung des räumlichen Denkens nur nach der Darbietung der Mozart-Klaviersonate fest. Konkret konnten sie zeigen, dass die Leistungen in diesen Untertests nach der Präsentation der Mozart-Sonate 119 IQ-Punkte betrug, während nach dem Hören der Entspannungsinstruktion ein IQ von 111 und in der Ruhebedingung ein IQ von 110 erzielt wurde. Die unterschiedlichen Messwerte wurden dann noch einer statistischen Analyse unterzogen, wobei sich ergab, dass die räumlichen Leistungen nach der Präsentation der Mozart-Sonate signifikant höher ausgefallen waren als die räumlichen Leistungswerte nach der Entspannungsinstruktion und der Ruhebedingung. Die Leistungskennwerte nach der Ruhebedingung und nach der Entspannungsinstruktion waren identisch und
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