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Macht (German Edition)

Macht (German Edition)

Titel: Macht (German Edition)
Autoren: Bertrand Russell
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Menschlichkeit und sogar Selbsterhaltung leicht vergessen lässt und grässliche Massaker und heroisches Märtyrertum ebenso leicht möglich macht. Dieser Art von Vergiftung kann man wie anderen nur schwer widerstehen, sobald man ihre Beglückung einmal erfahren hat, doch führt sie schließlich in Apathie und Ermüdung und erzeugt den Wunsch nach einem immer stärkeren Stimulus, wenn die frühere Gefühlsstärke wieder hervorgebracht werden soll.
    Obwohl ein Führer nicht unbedingt notwendig für diese Bewegung ist, die durch Musik oder durch einen von einer Menge beobachteten aufregenden Vorgang hervorgerufen werden kann, sind die Worte eines Redners der leichteste und üblichste Weg zu ihr. Das Vergnügen an einer Massenerregung ist daher ein wichtiges Element der Macht von Führern. Der Führer braucht die von ihm geweckten Gefühle nicht zu teilen; er mag wie Shakespeares Antonius zu sich selber sagen:
     
Nun wirk' es fort. Unheil, du bist im Zuge:
Nimm, welchen Lauf du willst! –
     
    Aber der Führer wird schwerlich Erfolg haben, wenn er nicht Macht über die ihm Folgenden besitzt. Er wird daher zu einer Vorliebe für jene Situationen und jene Art von Menge gebracht werden, die seinen Erfolg erleichtern. Die beste Situation ist die, in der eine genügend ernste Gefahr vorhanden ist, welche die ihr Widerstand leistenden Menschen sich tapfer fühlen lässt, ohne so bedeutend zu sein, dass Furcht zum beherrschenden Faktor wird – eine Situation wie zum Beispiel der Ausbruch eines Krieges gegen einen Feind, der für mächtig, aber nicht für unüberwindlich gilt. Ein geschickter Redner bringt in seiner Hörerschaft, wenn er kriegerisches Gefühl wecken will, zwei Formen des Glaubens hervor: eine Oberschicht, in der die feindliche Macht verherrlicht wird, um großen Mut notwendig erscheinen zu lassen, und eine tiefer liegende Schicht fester Siegeszuversicht. Beide finden ihren Ausdruck in einem Schlagwort wie »Recht wird über Macht triumphieren«.
    Die Art der Menge, die der Redner sich wünschen wird, ist eine solche, die eher der Erregung als dem Nachdenken zugänglich ist, mit Furcht und folgerichtigem Hass erfüllt, langsamen und bedächtigen Methoden abgeneigt, außer sich und hoffnungsvoll zugleich. Wenn der Redner nicht ein völliger Zyniker ist, wird er sich eine Anzahl Glaubenssätze aneignen, die seine Handlungen rechtfertigen. Er wird glauben, dass Gefühl ein besserer Führer ist als Verstand, dass unsere Meinungen eher aus dem Blut als mit dem Hirn gebildet werden sollten, dass die besten Elemente im menschlichen Leben eher kollektiver als individueller Art seien. Wenn er die Erziehung kontrolliert, wird er sie aus einem Wechsel von Drill und massenweiser Verführung bestehen lassen, während Wissen und Urteil den kühlen Anhängern der unmenschlichen Wissenschaft überlassen bleiben wird.
    Machtliebende Persönlichkeiten sind jedoch nicht alle vom Typus des Redners. Es gibt Menschen ganz anderer Art, deren Machtliebe durch Beherrschung von Mechanismen genährt wird. Nehmen wir Bruno Mussolinis Bericht über seine fliegerischen Taten während des abessinischen Krieges als Beispiel:
    »Wir hatten bewaldete Hügel, Felder und kleine Dörfer in Brand zu werfen ... Es war höchst unterhaltsam ... Die Bomben hatten kaum den Boden berührt, als weißer Rauch und eine riesige Flamme aus ihnen hervorbrachen und das trockene Gras zu brennen begann. Ich dachte an die Tiere: Gott, wie sie liefen. Als die Bomben ausgeklinkt waren, begann ich Bomben mit der Hand zu werfen ... Es war äußerst lustig: eine große Zariba, von hohen Bäumen umgeben, war nicht leicht zu treffen. Ich musste sorgfältig auf das Strohdach zielen und hatte erst beim dritten Wurf Erfolg. Die Kerls, die darin saßen, sprangen beim Anblick ihres brennenden Daches heraus und rannten wie verrückt davon. Von einem Feuerkreis umgeben, kamen ungefähr fünftausend Abessinier jämmerlich um. Es war einfach toll.«
    Während der Redner viel intuitive Psychologie zum Erfolg benötigt, kommt der Flieger von der Art Bruno Mussolinis mit nicht mehr Psychologie zu seinem Vergnügen, als in dem Wissen enthalten ist, dass es unerfreulich ist, den Feuertod zu erleiden. Der Redner ist ein antiker Typus; der Mann, dessen Macht auf dem Mechanismus beruht, ein moderner. Nicht völlig: Lesen Sie zum Beispiel, wie am Ende des ersten punischen Krieges karthagische Elefanten gebraucht wurden, um meuternde Söldner zu Tode zu trampeln. Dort finden wir die
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