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Macht (German Edition)

Macht (German Edition)

Titel: Macht (German Edition)
Autoren: Bertrand Russell
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Kluft
Im hohlen Fels der Hase heimwärts springt –
Glückliche Höfe war'n hier einst
Und Acker, gelbe Ernten und Getön
Brüllender Herden; hier auch Gärten und Paläste;
Der Ruh geweihte Zufluchtsstätten
Mächtiger Herren; hier berühmte Städte,
Vom unerbittlichen Gebirg, das donnernd ausstößt
Geschmolz'ne Ströme aus dem Feuermaul, zerstört
Mit allen Bürgern. Alles liegt ringsum
Zerschmettert unter einer riesigen Ruine. (3)
     
    Diese Ergebnisse können heute von Menschen erreicht werden. Sie wurden in Guernica erreicht; vielleicht werden sie in nicht zu ferner Zeit dort erreicht sein, wo noch London steht. Was kann von einer Oligarchie Gutes erwartet werden, die durch solche Zerstörung zur Herrschaft gelangt ist. Und seien es Berlin und Rom statt London und Paris, die von den Donnerkeilen der neuen Götter zerstört würden – könnte Menschlichkeit in den Zerstörern nach solcher Tat weiterleben? Würden nicht jene, die menschliche Gefühle ihr eigen nennen, von unterdrücktem Mitleid zum Wahnsinn getrieben und noch schlimmer werden als die anderen, die ihr Mitempfinden nicht zurückzuhalten brauchen?
    In früheren Zeiten verkauften Menschen dem Teufel ihre Seele, um magische Kräfte zu erwerben. Heutzutage erlangen sie diese Fähigkeiten durch Wissenschaft und sehen sich gezwungen, Teufel zu werden. Es gibt für die Welt keine Hoffnung, solange Macht nicht gezähmt und dienstbar gemacht werden kann, nicht dieser oder jener Gruppe fanatischer Tyrannen, sondern der ganzen Menschheit dienstbar gemacht werden kann. Weißen und Gelben und Schwarzen, Kommunisten und Demokraten; denn durch Wissenschaft ist es unvermeidlich geworden, dass alle leben oder alle sterben müssen.

DRITTES KAPITEL
DIE FORMEN DER MACHT
    M acht kann als das Hervorbringen beabsichtigter Wirkungen definiert werden. Es ist auf diese Weise ein quantitativer Begriff: Wenn zwei Menschen mit ähnlichen Begierden gegeben sind und einer all seine Wünsche befriedigen kann, die auch der andere erfüllen kann, und so fort, so besitzt der eine nicht mehr Macht als der andere. Jedoch gibt es kein genaues Mittel, die Macht zweier Menschen miteinander zu vergleichen, von denen der eine eine gewisse Gruppe von Begierden, der andere eine zweite Gruppe zu befriedigen vermag. Es könnte zum Beispiel zwei Künstler geben, die beide gute Bilder malen und zugleich reich werden wollen und von denen es einem gelingt, gute Bilder zu malen, und dem anderen, reich zu werden – hier könnte man nicht abschätzen, welcher von beiden über die größere Macht verfügt. Nichtsdestoweniger kann man ungefähr feststellen, dass A mehr Macht als B besitzt, wenn A viele beabsichtigte Wirkungen erzielt und B nur einige.
    Es gibt mehrere Möglichkeiten, Machtformen zu klassifizieren. Jede dieser Möglichkeiten hat ihre Vorzüge. Zunächst einmal gibt es Macht über Menschen und Macht über tote Materie oder nichtmenschliche Lebensformen. Ich werde mich vor allem mit der Macht über Menschen beschäftigen, aber es wird notwendig sein, daran zu erinnern, dass die Hauptursache für Veränderungen in der modernen Welt das Anwachsen der Macht über die Materie ist, das wir der Wissenschaft schulden.
    Macht über Menschen kann nach der Weise, wie Individuen beeinflusst werden, oder nach dem Typus der betreffenden Organisation klassifiziert werden.
    Ein Individuum kann beeinflusst werden: a) durch direkte physische Gewalt über seinen Körper, das heißt, wenn es gefangengesetzt oder getötet wird; b) durch Belohnungen oder Strafen als Mittel der Veranlassung, zum Beispiel durch das Vergeben oder Nichtvergeben von Arbeit; c) durch Beeinflussung der Meinung, das heißt Propaganda im weitesten Sinne. In diese letzte Abteilung würde ich die Gelegenheit, bei anderen begehrte Gewohnheiten hervorzurufen, einschließen, zum Beispiel durch militärischen Drill, wobei der einzige Unterschied darin besteht, dass in solchen Fällen das Handeln ohne einen derartigen mentalen Zwischenträger erfolgt, wie ihn die Meinung darstellt.
    Diese Formen der Macht werden ganz nackt und einfach in unserer Behandlung von Tieren entwickelt, wo Verhüllungen und Vorwände als unnötig angesehen werden. Wenn ein quiekendes Schwein mit einem Strick um den Leib in ein Schiff gehoben wird, unterliegt es direkter physischer Gewalt über seinen Körper. Wenn andererseits der sprichwörtliche Esel der sprichwörtlichen Mohrrübe folgt, verleiten wir ihn, nach unserem Wunsche zu handeln, indem wir ihn
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