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Macht (German Edition)

Macht (German Edition)

Titel: Macht (German Edition)
Autoren: Bertrand Russell
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gleiche Psychologie, wenn auch nicht die gleiche Wissenschaft wie bei Bruno Mussolini. (2) Aber vergleichsweise gesprochen ist mechanische Macht für unser Zeitalter mehr charakteristisch als für irgendeine frühere Zeit.
    Die Psychologie des Oligarchen, der von mechanischer Macht abhängig ist, ist bisher nirgendwo völlig entwickelt. Sie ist immerhin eine unmittelbare Möglichkeit und quantitativ, wenn auch nicht qualitativ, neu. Es wäre für eine technisch ausgebildete Oligarchie heute durch Beherrschung von Flugzeugen, Flotten, Kraftwerken, Transportmitteln usw. möglich, eine Diktatur zu errichten, die beinahe keine Zustimmung der Beherrschten benötigt. Das Laputareich wurde aufrechterhalten durch die Macht, sich zwischen die Sonne und eine rebellische Provinz stellen zu können. Eine ähnlich drastische Wirkung könnte eine Vereinigung wissenschaftlicher Technologen haben. Sie könnten eine widerspenstige Gegend aushungern, sie des Lichtes, der Wärme, der Elektrizität berauben, nachdem sie vorher die Abhängigkeit von diesen Quellen des Komforts ermutigt hätten; sie könnten dieses Gebiet mit Giftgas oder Bakterien überschwemmen. Widerstand wäre gänzlich hoffnungslos. Und die Männer an der Führung, geschult in der Handhabung von Mechanismen, würden Menschenmaterial so ansehen, wie sie gelernt hätten, ihre eigenen Maschinen zu betrachten, als etwas Fühlloses, das von Gesetzen gelenkt wird, die der Schaltende zu seinem Vorteil gebrauchen kann. Ein derartiges Regime wäre durch eine kalte Unmenschlichkeit gekennzeichnet, die alles überträfe, was man bisher von früherer Tyrannei kennt.
    Macht über Menschen, nicht über die Materie, ist das Thema meines Buches. Aber es ist möglich, eine technische Gewalt über Menschen aufzurichten, die sich auf Macht über die Materie gründet. Männer mit der Gewohnheit, machtvolle Mechanismen zu beherrschen, die durch diese Kontrolle Macht über menschliche Wesen erlangt haben, werden wahrscheinlich eine Vorstellung von ihren Untertanen besitzen, die völlig verschieden ist von der solcher Männer, welche von Überzeugung, selbst von unehrlicher Überzeugung, abhängig sind. Die meisten von uns haben einmal absichtlich einen Ameisenhaufen gestört und mit leisem Vergnügen die wilde Verwirrung beobachtet, die entstanden war. Wenn man vom Dach eines Wolkenkratzers auf den Verkehr von New York hinabblickt, hören die Wesen unter einem auf, menschlich zu erscheinen, und bekommen etwas Absurdes. Wäre man gleich Jupiter mit dem Donnerkeil bewaffnet, so wäre man versucht, ihn in die Menge zu schleudern, und zwar aus dem gleichen Grund wie im Falle des Ameisenhaufens. So fühlte offenbar Bruno Mussolini, als er von seinem Flugzeug aus auf die Abessinier hinuntersah. Man stelle sich eine wissenschaftliche Regierung vor, die aus Furcht vor Ermordung immer in Flugzeugen lebt, mit Ausnahme gelegentlicher Landungen auf Landungsplätzen, die auf hohen Türmen oder auf dem Meer gelegen sind. Ist es wahrscheinlich, dass eine solche Regierung ein tiefes Interesse für das Glück ihrer Untertanen hat?
    Ist es nicht im Gegenteil gewiss, dass sie sie, wenn alles gut geht, so unpersönlich sehen wird, wie sie ihre Maschinen betrachtet, aber dass sie, wenn etwas geschehen sollte, das den nichtmaschinellen Charakter der Menschen bewiese, kalte Wut empfinden wird – die kalte Wut von Männern, deren Grundsätze von Untermenschen in Frage gestellt werden – und die nun jeden Widerstand, der nur die geringste Schwierigkeit mit sich führt, brechen wird?
    Alles das, könnte der Leser denken, ist einfach überflüssiges Hirngespinst. Ich wünsche, ich könnte ihm recht geben. Ich bin überzeugt, dass mechanische Macht dahin zielt, eine neue Mentalität zu schaffen, die es wichtiger als je zuvor macht, neue Wege der Regierungskontrolle zu finden. Demokratie scheint infolge der technischen Entwicklung schwieriger geworden zu sein, aber sie ist auch wichtiger geworden. Der Mann, der über mächtige mechanische Gewalt verfügt, kann sich leicht als Gott fühlen, wenn er niemandem Rechenschaft abzulegen genötigt ist – nicht als ein christlicher Gott der Liebe, sondern als ein heidnischer Thor oder Vulkan.
    Leopardi beschreibt die Wirkung vulkanischer Tätigkeit an den Abhängen des Vesuv:
     
Dies Land, das nun bestreut
     
Mit trockner Asche, und gehöckert
Von steingefrorener Lava,
Hall unterm Fuß verlassner Pilger;
Dort, wo im Glast geborgen Schlangen ruhn,
Und wo in mancher
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