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Machos weinen nicht

Machos weinen nicht

Titel: Machos weinen nicht
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einen Cent Bargeld. Ich musste ihr etwas leihen. Das Mädchen bedankte sich lange bei mir und wunderte sich, wo sie ihr ganzes Geld verloren haben konnte.
    Ich sagte, sie müsse besser aufpassen.
    »Tschüs.«
    »Soll ich dir meine Adresse in Brüssel geben?«
    »Wozu?«
    Mitten im Wartesaal hing eine schwarze Anzeigetafel. Die Namen der exotischsten Städte des Planeten sahen aus wie die nächste Metrostation. Sobald eine neue Aufschrift erschien, raschelten die Buchstaben, als scharrten sie mit winzigen Sohlen. Unter der Tafel waren mehrere Fernsehschirme, auf denen lauter gleich aussehende, kahl geschorene Sinead O‘Connors schluchzten.
    Papauskas saß mit dem Lama in einem Café irgendwo im ersten Stock. Bis zu unserem Flug blieb noch mehr als eine Stunde. Ich stand vor dem riesigen Fenster. Draußen war es endgültig dunkel geworden. Das Einzige, was ich im Glas sah, war mein ungekämmtes Spiegelbild. Ich wandte mich ab. Mein Geruch gefiel mir übrigens auch nicht. Ich hatte es nicht mehr geschafft, vor der Abfahrt noch zu duschen.
    Am Morgen hatte ich mehrere Tassen Kaffee getrunken und war ein letztes Mal um das Kongress-Center gebummelt. Überlegte, ob ich nicht für das restliche Kleingeld exotische Früchte kaufen sollte. Die könnte ich den Petersburger Bekannten schenken. Meinem italienischen Zimmergenossen schenkte ich zum Abschied einen Kugelschreiber mit der Aufschrift Sankt-Peterburg. Er sagte irgendwas und schüttelte mir die Hand. Ich lächelte auch.
    Die Malaien fegten das müde Gelände. Vielleicht würde hier morgen ein neuer Kongress beginnen. »Die atheistischen Rentner nehmen Abschied vom verflossenen Jahrhundert« zum Beispiel. Der Kühlschrank mit dem kostenlosen Bier war leer und traurig.
    Dann drängelten sich vor dem Campus schon die Delegierten mit Koffern, Taschen und Rucksäcken. Zum Flughafen wurden alle mit dem Autobus befördert. Auf der Straße hupten die mir längst zum Hals heraushängenden Jeepneys. Die Stadt mochte ich mir auch nicht mehr ansehen.
    Die Passagiere meines Fluges wurden zur Pass – und Zollkontrolle aufgerufen.
    »Geben Sie irgendwelche Gepäcksachen auf?«
    »Nein.«
    »Nur Handgepäck? Ein Rucksack?«
    »Nur Handgepäck. Ein Rucksack.«
    »Führen Sie malaiische Ringgit aus dem Land aus?«
    »Nicht eine Kopeke.«
    »Haben Sie während Ihres Aufenthalts im Land irgendwelche Wertsachen erworben?«
    »Ihr Bier – schmeckt sehr gut.«
    Offensichtlich begriff der Zollbeamte nicht, was ich meinte. An den Rucksack hängte man mir einen gelben Anhänger mit dem Emblem der Lufthansa. Gleich hinter dem Zoll gab es noch die Antiterrorkontrolle. Die Polizistinnen fanden kein Gramm Plastiksprengstoff bei mir und guckten missmutig.
    Im Innern des Flughafens arbeitete die Klimaanlage mit voller Kraft. Zum ersten Mal seit zwei Wochen fror ich plötzlich. Zog meine zerknautschte Winterjacke aus dem Rucksack. In der Jackentasche fand sich noch ein Zigarettenstummel Petersburger Herkunft.
    Die Passagiere rollten ihre Plastikkoffer mit Rädchen auf der Unterseite. Es wurde eng. Dann traf ich Papauskas. An seiner teuren Tasche waren an einem Karabinerhaken dicke finnische Handschuhe mit Reißverschluss am Handgelenk befestigt.
    »Ich sitz mit dem Lama im Café. Neben uns so eine Malaienfratze. Er fragt mich: Ist es in deinem Land kalt? Ich sage: sehr kalt. Damit wir uns nicht die Hände abfrieren, tragen wir solche Handschuhe. Und was glaubst du? Dieser Hammel hat gemeint, ich mache Witze! Wollte nicht glauben, dass man so ein Ding wirklich an den Händen tragen kann. Hat gekichert und gesagt, ich sei ein sehr spaßiger Mister!«
    »Ja-a ... Gut ist es hier ... War es ...«
    »Natürlich! Wo würde man wohl sonst so lange Zeit Sir zu dir sagen?«
    »Fährst du von Moskau gleich nach Hause?«
    »Mhm. Ich hab auch schon die Fahrkarten. Und du? Nach Piter?«
    »Zum Jupiter! Wovon redest du? Ich hab gerade noch vier Dollar.«
    »Leih dir was bei Gesche.«
    »Ist mir peinlich. Immerhin ein Lama.«
    »Willst du eine Geschichte über Lamas hören? Früher habe ich mal in Burjatien gelebt. Als es die Sowjetunion noch gab. In Burjatien gibt es sehr viele buddhistische Klöster. Ich habe dort ein ganzes Jahr verbracht. Wie der letzte Idiot habe ich irgendwelches Scheißholz gehackt... Kurz gesagt, in meinem Kloster wurden Spenden gesammelt. Es hieß, für einen Datsan. Die Menschen gaben ihr Letztes. Einmal habe ich bis zum Morgen ein Hundertliterfass Rubel nachgezählt. Einrubelscheine,
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