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Machiavelli: oder Die Kunst der Macht (German Edition)

Machiavelli: oder Die Kunst der Macht (German Edition)

Titel: Machiavelli: oder Die Kunst der Macht (German Edition)
Autoren: Volker Reinhardt
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ein Prophet, der Florenz im Auftrag Gottes reformiert: So jedenfalls malte Bartolommeo della Porta den Bußprediger. Für Machiavelli war der wortmächtige Dominikaner dagegen ein Betrüger, der daran zugrunde ging, dass er das Volk nicht mit Waffengewalt zum Glauben an seine Mission zwingen konnte.
    Machiavelli selbst hat sich später zur Frage seiner Qualifikationen mit seiner üblichen Mischung aus Sarkasmus und Ernst geäußert. In einem Brief an Francesco Vettori vom 9. April 1513 heißt es zu seiner «Berufswahl»:
Wenn Euch unsere politischen Sandkastenspiele langweilen, weil viele Dinge anders kommen, als wir sie vorher durchdacht und entworfen haben, so habt Ihr natürlich Recht – mir geht es ja ähnlich. Und doch, wenn ich mit Euch sprechen könnte, so könnte ich gar nicht anders, als erneut politische Luftschlösser bauen. Denn das launische Schicksal hat es so gewollt, dass ich weder von den Geschäften der Seidenzunft noch von denen der Wollzunft noch von Gewinnen oder Verlusten, sondern eben nur vom Staat etwas verstehe …[ 1 ]
    In den beiden genannten Zünften waren die Großhändler und Bankiers eingeschrieben, die die Politik von Florenz dominierten. Wenn Machiavelli behauptete, für diese merkantilen Berufe nicht zu taugen, so wollte er diesen Schluss natürlich auch umgekehrt verstanden wissen: Die Chefs der großen Firmen bestimmten die Geschicke der Republik, obwohl sie von den Erfolgsregeln der Politik keine Ahnung hatten.
    Dass Machiavelli etwas vom Staat verstand und diesem nützlich sein konnte, muss die Mehrheit der Florentiner im Mai und Juni 1498 also ähnlich gesehen haben. Doch wie kamen sie zu diesem positiven Urteil? Seit mehr als vierhundert Jahre nach Machiavellis Geburt das Hausbuch seines Vaters Bernardo entdeckt wurde, fällt zumindest auf die familiären Verhältnisse und den Bildungsweg des Knaben Niccolò etwas Licht. Dabei sind die Einblicke, die Bernardo Machiavellis Libro di ricordi («Erinnerungsbuch») erlaubt, überwiegend trübe. Der Verfasser der Hauschronik war ein Advokat von seltener Erfolglosigkeit; selbst das Amt eines Provinzkassierers, das ihm durch einflussreiche Empfehlung übertragen worden war, konnte er nicht zum wirtschaftlichen Vorteil seines Hauses oder gar zum politischen Aufstieg nutzen. Diese kümmerlichen Lebensverhältnisse standen in krassem Gegensatz zur Vergangenheit des Machiavelli-Clans insgesamt. Dieser durfte sich rühmen, Sechsundsechzig Mal einen Angehörigen in die jeweils zwei Monate amtierende Stadtregierung entsandt zu haben, darunter ein Dutzend Mal den gonfaloniere, der als Primus inter pares das Oberhaupt der Republik bildete. Die Erfolgsgeschichte der Machiavelli-Sippe schrieben verschiedene Zweige der Sippe im 15. und 16. Jahrhundert fort.
    Umso peinlicher war den erfolgreichen Verwandten der krasse Abstieg der Linie Bernardos, mit dem der Tiefpunkt erreicht wurde. Ein Machiavelli feindlich gesonnener Chronist behauptet sogar, dass sein Vater ein «Bastard», also unehelicher Geburt, gewesen sei. Selbst dem Zweiten Kanzler der Republik versuchten seine Gegner aus der notorischen Misere seines Vaters noch einen Strick zu drehen: Als Sohn eines Steuerschuldners habe er dieses Amt gar nicht antreten dürfen. Es bedurfte energischer Gegenwehr und guter Beziehungen Machiavellis, um diese Bedrohung abzuwenden. Solche Attacken spiegeln Häme, aber auch eine gewisse Ratlosigkeit wider: Wie konnte der Zweig einer angesehenen Familie so tief sinken? Für den späteren Chef der Zweiten Kanzlei ergab sich daraus eine merkwürdige Schieflage. Er war mit Persönlichkeiten verwandt und verschwägert, die wirtschaftlich, sozial und politisch weit über ihm standen; sogar einen Kardinal Machiavelli gab es zu seinen Lebzeiten. Mit dem Ausdruck der Verachtung, so sehr sie sich auch als Kameradschaftlichkeit, Sympathie und kumpelhafte Solidarität tarnte, hat Niccolò Machiavelli von Kindesbeinen an Erfahrung gemacht. Mit welcher Kühnheit er darauf reagierte, zeigt sein Brief an Francesco Vettori vom 18. März 1513:
Und wenn es unseren geneigten Herren gefallen sollte, mich aus der Verbannung auf dem Lande zurückzurufen, so ist es mir lieb, denn ich glaube, mich so verhalten zu können, dass sie Grund haben werden, sich darüber zu freuen. Und wenn sie dazu nicht bereit sind, dann werde ich eben so wie bisher weiter leben. Denn ich bin arm geboren und habe zuerst Mühen auf mich zu nehmen und danach zu genießen gelernt.[ 2 ]
    Das waren
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