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Macabros 122: Doc Shadow - Geist der Schattenwelt

Macabros 122: Doc Shadow - Geist der Schattenwelt

Titel: Macabros 122: Doc Shadow - Geist der Schattenwelt
Autoren: Dan Shocker
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Straßen erinnern…
an die vielen Autos… die Häuser, die in ihrer Erinnerung
alle aussahen wie Teile von Palästen.
    Sie konnte sich entsinnen an den breiten Fluß, die Schiffe,
die darauf gefahren waren, an die Brücke, die die beiden
Stadtteile miteinander verband…
    Wie ruhig und beschaulich ging es in dem kleinen Bauerndorf zu.
Felder, Wiesen, Weiden… Karren, die von Pferden und Eseln
gezogen wurden. Und es gab nur kleine Häuser und auf einer
bewaldeten Anhöhe am Dorfrand den Friedhof, auf dem sie den Mann
zu Grabe trugen, der ihr die große Stadt und den großen
Fluß gezeigt hatte und auf dessen Knien sie immer geritten
war…
    Großvaters Stimme, ruhig, nachdenklich und unverwechselbar,
konnte sie nie vergessen.
    Und diese Stimme sprach jetzt – Jahrzehnte später –
wieder in ihr!
    »Ja«, hörte sich Marika Heslany in Gedanken sagen,
»ja… ich erkenne dich… Großvater!«
    Dann waten die Bilder, die sie umgaben, die wie. Szenen eines
dreidimensionalen Filmes rings um sie emporwuchsen, so deutlich,
daß sie sich in die ferne Vergangenheit zurückversetzt
fühlte.
    Nacht… Ein einsamer Friedhof. Am Rand ein hohes, dunkles Haus
mit Erkern und schmalen, hohen Fenstern… das Haus wirkte
düster, und der gespenstische Eindruck verstärkte sich noch
durch den dunklen, wolkenschweren Himmel und die große blasse
Mondscheibe, die manchmal durch die Wolkenbänke schaute und
selbst grau und farblos wirkte.
    Das Haus, in dem der Pfarrer wohnte, der an Großvaters Grab
die Rede gehalten und zuerst drei kleine Schippen mit Sand auf den
Sarg geworfen hatte.
    Dumpf war die feuchte Erde auf den hölzernen Deckel
gefallen.
    Marika Heslany erinnerte sich, daß sie auch damals etwa zwei
Jahre alt gewesen war. Großvater war kurz nach dem Besuch der
großen Stadt plötzlich gestorben. Sie selbst hatte ihn
gefunden, friedlich schlafend in seinem Bett. Er war einfach nicht
mehr aufgewacht…
    Nun schlief er woanders, und er würde nie wieder aufwachen,
hatte man ihr erklärt.
    Aber – besuchen könne man ihn noch? hatte sie damals
gefragt.
    In geraffter Form erstand alles wieder in ihrer Erinnerung…
kristallklar.
    Und – sie war mitten drin.
    Dinge, die sie längst vergessen glaubte, waren wieder da. In
einer Farbigkeit und Lebendigkeit, die sie alles nochmals miterleben
ließ, als ereigneten sich diese Dinge erst in diesen
Minuten.
    Sie war auf dem Friedhof. Großvater besuchen…
Jederzeit, hieß es schließlich, könne man ihn
besuchen.
    In jener Nacht, als sie wach in ihrem Bett lag und an ihren toten
Großvater dachte, kam ihr die Idee, Blumen zu seinem Grab zu
bringen.
    Ob am Tag oder in der Nacht, das blieb sich schließlich
gleich.
    Sie hatte keine Angst vor der Nacht, vor der Dunkelheit, keine
Angst vor dem Friedhof, auf dem alles so still war.
    Sie verließ das Bett, nahm die mit frischen Schnittblumen
gefüllte Vase vom Tisch draußen und verließ –
nur mit ihrem Nachthemd bekleidet – das kleine, niedrige Haus am
Ende der holprigen Dorfstraße.
    Das kleine Mädchen lief zum Friedhof, um seinen
Großvater zu besuchen.
    Das Tor war verschlossen, aber daran störte es sich nicht.
Die Gitterstäbe standen für seinen kleinen schmalen
Körper weit genug auseinander, um durchzukriechen.
    Mit schnellen Schritten lief das Kind quer zwischen den Grabreihen
durch. Die Nacht war düster, aber mild.
    Das alles lag fast drei Jahrzehnte zurück – und doch
durchlebte Marika Heslany es wohltuend und wie eine Erlösung
während des automatischen Schreibvorgangs, der nach wie vor
anhielt.
    Aber sie sah sich nicht mehr als kleines Kind auf dem
nächtlichen Friedhof, sondern als erwachsene Frau. Und sie trug
das Kleid, das sie jetzt anhatte, während sie hier am Tisch
saß und schrieb.
    Jenes tiefausgeschnittene Kleid, das ihre mädchenhafte Figur
und ihre weiblichen Reize zur Geltung brachte.
    Plötzlich war die Vergangenheit auch ihre Gegenwart.
    Mit allen Fasern ihres Herzens erlebte Marika Heslany in diesem
Augenblick jene Nacht, und zwar in einer Intensität, die ihr
entfallen war. Dinge, die sie vergessen und verdrängt hatte,
wurden wieder lebendig und nacherlebt.
    Sie stand vor dem alten, verwitterten Grabstein, der schräg
in der Erde hing. So alt und verwittert war er damals nicht
gewesen.
    Die ganze Aufmerksamkeit der nächtlichen Besucherin dieses
makabren Ortes war auf den flachen, eingesunkenen Grabhügel
gerichtet. Der Friedhof machte einen Eindruck, als würde er
schon lange nicht mehr
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