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Macabros 120: Giftstachel des Skorpion-Dämons

Macabros 120: Giftstachel des Skorpion-Dämons

Titel: Macabros 120: Giftstachel des Skorpion-Dämons
Autoren: Dan Shocker
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beiden
Kammern unter dem Dach, in denen Desirée Mallon lebte.
    Alte Möbel, einst sehr elegant und teuer, schmückten die
Zimmer der alten Dame. Man sah den Einrichtungsgegenständen den
Zahn der Zeit, der an ihnen nagte, an. Und doch haftete den Mobein
noch jenes gewisse Flair an, das auf eine Vergangenheit hinwies, in
der eine Frau wie Madame Calet auch noch besser gestellt war.
    »Wo drückt der Schuh, Mademoiselle?« wollte die
alte Dame wissen, als sie an dem kleinen runden Tisch in einer
Fensternische des Wohnzimmers sich gegenübersaßen.
    »Sie wohnen schon lange in diesem Haus, nicht wahr?«
tastete Desirée sich vor, die wieder ihren ersten Mut verloren
hatte.
    »Lange? Schon ein ganzes Leben. Über vierzig Jahre
müssen es jetzt sein.«
    »Sie kennen demnach jede Wohnung und erinnern sich sicher
auch an jeden Mieter, der hier gewohnt hat.«
    »Oh ja, das kann man sagen. Warum fragen Sie mich danach,
Mademoiselle? Es muß doch einen Grund haben?«
    »Ja, hat es auch… In vierzig Jahren, Madame, passieren
schöne, aber auch unangenehme Dinge. Überall wo es Menschen
gibt, ereignen sich Schicksale.«
    »Da sagen Sie etwas Wahres! Über die Menschen und die
Schicksale in diesem Haus könnte ich ein Buch schreiben, das
können Sie mir glauben.«
    »Was war das schrecklichste Erlebnis, das Sie
hatten?«
    »Es gab viele unangenehme Dinge. Streitereien,
Ehezwistigkeiten… mutwillige Zerstörungen. Es gab –
aber auch einen Mord…«
    Desirée Mallon ließ ihr Gegenüber nicht aus den
Augen.
    »Wo?« fragte sie tonlos, und sie merkte, wie eine Ahnung
in ihr aufstieg, die plötzlich da war und sich nicht mehr
zurückdrängen ließ. »In – welcher Wohnung
ist es passiert?«
    Madame Calet antwortete nicht sofort. Mit spitzen Fingern griff
sie ihre Tasse, führte sie zum Mund und setzte sie wieder
zurück auf die blütenweiße, fein gehäkelte
Tischdecke. »Warum fragen Sie das, Mademoiselle? Warum –
wollten Sie das wissen?«
    »Weil es mich interessiert.«
    »Und wodurch ist dieses Interesse geweckt worden?«
    »Ich werde es Ihnen sagen, wenn Sie mir eine ehrliche Antwort
auf meine Frage geben«, antwortete sie ausweichend.
    Zwei Minuten vergingen in Schweigen.
    »Wollen Sie es wirklich wissen?«
    »Oui.«
    »Wie lange sind Sie jetzt Mieterin in der Wohnung unter dem
Dach?«
    »Ich lebe seit ungefähr drei Jahren dort.«
    »Mhm…, dann liegt es genau siebenundzwanzig Jahre
zurück, als er sich umbrachte. Fernand Metier war sein Name. Ich
erinnere mich noch gut an ihn. Ein stiller, bescheidener Mensch, sehr
gebildet. Er lebte nur für seine Forschungen. Er war
Archäologe oder so etwas Ähnliches. Jedenfalls reiste er
oft monatelang durch die ganze Welt und war hinter irgendwelchen
Rätseln und Erkenntnissen her. Dann stand die Wohnung so lange
leer. Ohne Ankündigung tauchte er von Zeit zu Zeit auf und lebte
wieder hier, um bei nächster Gelegenheit erneut zu verschwinden.
Ärger mit der Miete gab es nie. Er hatte bei seiner Bank einen
Dauerauftrag laufen, so daß die Zahlungen regelmäßig
erfolgten.
    Eines Nachts – ich erinnere mich noch wie heute – kehrte
er wieder mal aus der Ferne zurück. Er klingelte mich aus dem
Bett, war außer Atem, sehr blaß, wirkte krank und
erschöpft. Er entschuldigte sich, daß er mich geweckt
hatte, aber er könne seine Schlüssel nicht mehr finden und
müsse sie wohl verloren haben… Er hatte nur wenig
Gepäck dabei. Das Haar hing ihm in die Stirn, und seine
Hände zitterten, als er einen Nachschlüssel
entgegennahm.
    Ich hatte Metier noch nie in einem solchen Aufzug gesehen und
fragte ihn, ob es einen bestimmten Grund gäbe, weshalb er so
aufgeregt sei.
    ›Oh ja‹, antwortete er mir da. ›Diesen Grund gibt
es…‹ Ich höre die Worte noch heute, denn ich habe sie
bestimmt zwanzigmal der Polizei gegenüber wiederholt, nachdem es
passiert war.
    ›Der Skorpion-Gott, Madame‹, flüsterte er mir zu.
›Es gibt ihn wirklich… Ich habe ihn gesehen – und
jetzt ist er hinter mir her…‹
    In jener Nacht glaubte ich noch an einen Scherz. Metier hatte
öfter so komische Bemerkungen gemacht.
    Ich wollte ihn bei Gelegenheit fragen, was er mit seinen Worten
eigentlich zu sagen beabsichtigte.
    Aber dazu kam es nie mehr.
    Am nächsten Morgen – war Monsieur Metier tot.
    Die Polizei fand ihn erhängt am Fensterkreuz…«
    »Am Fensterkreuz der Wohnung, die ich seit drei Jahren
bewohne.« Desirée Mallons Worte klangen nicht wie eine
Frage, sondern wie eine
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