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Macabros 050: Rha-Ta-N'mys Leichenschlucht

Macabros 050: Rha-Ta-N'mys Leichenschlucht

Titel: Macabros 050: Rha-Ta-N'mys Leichenschlucht
Autoren: Dan Shocker
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Miene
versteinerte.
    Ruckartig warf Gwendolyn Gendine ihren Kopf herum. Hier im Raum
gab es nur ein einziges Fenster. Es war winzig klein, und davor
standen dicht belaubt Bäume. Ronald Martin konnte von seinem
Lager aus den Himmel unmöglich sehen.
    Und doch wußte er…?
    Gwendolyn Gendine wurde es langsam unheimlich zumute.
    Sie ging nach draußen und bat Joe Octlan herein.
    Der athletisch gebaute Mann näherte sich dem Krankenlager des
Alten, der ihn aus matt schimmernden, dunklen Augen musterte.
    »Nehmen Sie bitte Platz! Ich freue mich, daß Sie
gekommen sind.« Martins Stimme klang brüchig und schwach.
Er bemühte sich, langsam und ruhig zu atmen, aber man merkte ihm
an, daß ihm das Atmen schon Schwierigkeiten bereitete.
    Octlan zog sich einen Stuhl an das Bett.
    »Ihr Brief hat mich überrascht«, sagte er und
führte seine gebräunte Rechte über die Augen. Sein
Gesichtsausdruck wirkte gequält, als bemühe er sich, einen
Gedanken zu fassen, der ihm entfallen war, den er jedoch noch
ahnungsweise in sich trug.
    »Das sollte er auch«, bemerkte Martin.
    Draußen kam Wind auf. Er pfiff durch das morsche
Dachgebälk und fing sich rauschend in den Wipfeln der
Bäume. Blitze irrlichterten über den wolkenverhangenen
Himmel. Dumpf hallte der Donner über die nahen Berge.
    »Sie hatten keine andere Möglichkeit, Octlan«,
fügte der Sterbende mit halb geschlossenen Augen und sich kaum
bewegenden Lippen hinzu. Die Stimme klang plötzlich nicht mehr
so abwesend und brüchig. Ihr haftete eine gewisse Schärfe
an. »In dem Moment, als Sie den Brief lasen – mußten
Sie kommen!«
    Octlans Augen verengten sich. In seinem Gesicht arbeitete es.
»Ich träume… es ist ganz sicher, ich
träume«, murmelte er, überhaupt nicht auf die Worte
Martins eingehend.
    »Nein, Sie träumen nicht! Sie sind bei vollem
Bewußtsein – aber das eben ist Ihnen in diesem Moment noch
nicht ganz bewußt. Das wird noch kommen. Voraussetzung für
das Spiel ist, daß Sie vollkommen klar sind. Nur dann
können Sie auch meine Fragen beantworten.«
    »Ich weiß nicht, was das Ganze soll«, sagte Octlan
wie benommen, nahm die Hände von seinen Augen, blickte sich
irritiert um und stand auf. »Wo bin ich hier? Wie komme ich
hierher?«
    Unruhig wanderten seine Augen hin und her, sein Blick blieb
schließlich auf dem alten, wächsern und ausgedörrt
aussehenden alten Mann kleben, der in dem Bett lag. »Wer sind
Sie?« entfuhr es überrascht den Lippen des Regisseurs.
    »Der Mann, der Ihnen geschrieben hat.«
    »Geschrieben? Wer hat mir geschrieben?«
    »Sie haben bestimmt den Brief noch in Ihrer Tasche, Mister
Octlan. Werfen Sie doch einen Blick hinein!«
    Verstört griff Octlan in die rechte Tasche seines Jacketts.
Er fuhr zusammen, als er das raschelnde Papier zwischen seinen
Fingern spürte. Er zog den geöffneten und zerknitterten
Brief heraus, der an ihn adressiert war. »Ich kann mich gar
nicht entsinnen, dieses Schreiben erhalten zu haben…«
    »Es wurde Ihnen im Regent-Hotel überreicht.«
    Octlan starrte auf den Bogen, der nur wenig Text aufwies.
»Gibt es denn hier kein Licht?« fragte er gereizt. Die
Dämmerung in dem kleinen, stickigen Raum ging ihm auf die
Nerven.
    »Doch, natürlich.« Auf dem Tisch stand eine dicke
Kerze. Aber sie brannte nicht.
    Ein Blitz flammte am Himmel auf. Wie ein glühender Pfeil
raste er durch die Wolken und schien die Wipfel der Bäume direkt
vor dem winzigen Fenster zu spalten.
    Für den Bruchteil einer Sekunde herrschte gleißende
Helligkeit.
    Das weiße Licht stand kerzengerade vor Octlan und spaltete
wie ein Messer die Düsternis in dem Raum.
    Octlan schloß geblendet die Augen. Als er sie wieder
öffnete, brannte die Kerze.
    »Das gibt es doch nicht!« stöhnte er. Es dauerte
einige Sekunden, ehe seine Augen sich an die neuen
Lichtverhältnisse gewöhnt hatten.
    »Doch, das gibt’s. Ich nehme an, daß dieses Licht
für Ihre Zwecke ausreicht.«
    Der Alte in dem Bett sah ihn mit satanisch glänzenden Augen
an, und Octlan fühlte eine Gänsehaut über seinen
Rücken laufen.
    Mit brennenden Augen starrte der Regisseur auf das Papier. Die
Buchstaben tanzten vor seinen Augen.
    »Ich bin ein großer Fan von Ihnen«, las er
halblaut vor. »Ich möchte, daß wir uns treffen, um
uns zu unterhalten.«
    Octlan lachte rauh. »Diesen Brief haben Sie mir geschrieben?
Und ich bin umgehend aus Houston losgefahren? Das ist ein
Witz!«
    »Wie Sie sehen, ist es keiner. Sie sind gekommen, um sich mit
mir zu unterhalten.
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