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Macabros 009: Blutregen

Macabros 009: Blutregen

Titel: Macabros 009: Blutregen
Autoren: Dan Shocker
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schmalen Gesicht bildeten
einen rötlich angehauchten Strich.
    Ihre Augenlider waren durchscheinend wie
Schmetterlingsflügel.
    »Ich wurde hierher gerufen«, wisperte sie. »Wer
immer du auch bist, melde dich wieder! Laß mich wissen, was du
von mir willst.«
    Klar und deutlich stand jedes einzelne Wort im Raum.
    Alle anderen schwiegen. Fest hielten Sie die Hände zum
spiritistischen Kreis geschlossen.
    Camilla Davies sah aus wie aus Marmor gemeißelt. Sie atmete
kaum.
    Plötzlich durchlief ein Ruck ihren Körper.
    »Ein Mann«, kam es tonlos über ihre Lippen.
»Ich sehe einen Mann… er ist hier… im Raum… eine
Wirtschaft, ein Gasthaus… niemand sonst ist hier. Außer
einem alten Mann. Er sitzt an einem Tisch.«
    Pause. Langes Schweigen.
    Garet grinste amüsiert. Er nahm das Ganze nicht ernst. Man
konnte sich viel zusammenspinnen, wenn man ein Talent dafür
hatte.
    »Ich fühle Traurigkeit… Sorge… es geht ihm
schlecht… die Gäste bleiben aus… wenn er den Kopf
dreht, kann er durch das Fenster nach draußen sehen. Ein
breiter Pfad… auf dem oft Kutschen fahren und Reiter
kommen… aber niemand sucht hier Unterkunft. Die Reisenden
versuchen noch vor Einbruch der Dunkelheit in London zu sein. Dies
Haus hier steht mitten im Wald… Räuberbanden haben sich
hier verschanzt… überfallen die Reisenden. In der
armseligen Herberge fühlt man sich auch nicht wohl. Der alte
Mann lebt hier allein… allein mit seiner Tochter.«
    Sie wollte noch etwas sagen. Aber dann kam nur ein gurgelnder Laut
aus ihrer Kehle. Ihre Augenlider flatterten, eine dünne
Schweißschicht zeigte sich mit einem Male auf ihrer glatten
Stirn.
    Ein Krampf schüttelte ihren Leib.
    Sie sah plötzlich krank und elend aus.
    »Nicht loslassen!« preßte sie mühsam hervor.
»Um Gottes willen… laßt den Kreis nicht
zusammenbrechen… der Geist… der anderen ist…
hier… mitten unter uns… in mir…«
    Und dann geschah etwas Furchterregendes.
    Ein weißer Strang wuchs aus ihrem Mund, wurde
größer und größer, stieg leicht wie eine
Dampfwolke über dem Tisch empor, verbreiterte sich und formierte
sich zu einer menschlichen Gestalt.
    »Ektoplasma!« stöhnte Christopher Baring. Zum
erstenmal kam es in seiner Gegenwart zur Materialisation eines
Geistes.
     
    *
     
    »Nicht… loslassen… nicht.« Die Stimme Camillas
war nur noch ein Hauch.
    Sie saß da wie zur Salzsäule erstarrt.
    Der Strom des Ektoplasmas aus ihrem Mund versiegte nicht. Das
wolkenleichte Gebilde wuchs und nahm immer mehr die Umrisse eines
menschlichen Körpers an.
    Deutlich war jetzt zu sehen, daß es sich nur um eine Frau
handeln konnte. Der Busen war ausgebildet, das Haar war lang und fiel
in Wellen auf die Schultern. Aber es war kein wirkliches Haar, es war
reines, weißes Ektoplasma, das sich hell gegen den
dämmrigen Hintergrund abhob. Das Gebilde erinnerte an den
starren, hellen Schemen eines weiblichen Oberkörpers.
    »Fragen… ihr müßt… Fragen
stellen…« Camilla Davies war kaum noch zu verstehen.
    Das über dem Tisch schwebende Gebilde war mit einem dicken
Strang mit ihr verbunden.
    Das Gebilde bewegte sich, es war mit Leben Camillas erfüllt,
deren eigenes Ich zurückgedrängt wurde.
    Christopher Baring glühte vor Aufregung. Er warf einen
schnellen Blick auf das batteriegetriebene Kassettengerät, das
neben der Kerze mitten auf dem Tisch stand und vor Beginn der Sitzung
eingeschaltet worden war.
    Jedes Wort konnte es festhalten.
    Die Blicke der Männer begegneten sich. Ernie Garets Lippen
sahen seltsam verkrampft aus, als bemühte er sich, sein Grinsen
aufrecht zu erhalten. Er war weiß wie eine Kalkwand.
    Berry Tuth, schon oft mit übernatürlichen Dingen und
parapsychologischen Fähigkeiten konfrontiert, saß da, als
hätte er einen Stock im Rücken. Dies war ein Erlebnis,
worauf er lange Zeit hatte warten müssen.
    Baring hatte es geahnt. Camilla Davies war ein hypersensibles
Medium. Durch sie würde es vielleicht gelingen, die Wand
zwischen dem Diesseits und dem Jenseits niederzureißen und
endlich zu erfahren, wie es auf der anderen Seite wirklich
aussah.
    »Wer bist du?« Christopher Baring befolgte Camillas
Aufforderung.
    Er mußte ein wenig den Kopf drehen, um das Ektoplasmagebilde
besser überschauen zu können.
    Aus der weißen, feinstofflichen Masse kam eine feine, sehr
leise Stimme.
    »Gladis… ich bin Gladis Corkshere.«
    »Wann hast du gelebt, Gladis?«
    »Ich wurde am 8. August 1653 geboren.«
    »Wie bist du gestorben, Gladis?
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