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M: Ein Tabor Süden Roman (German Edition)

M: Ein Tabor Süden Roman (German Edition)

Titel: M: Ein Tabor Süden Roman (German Edition)
Autoren: Friedrich Ani
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Süden.
    »Die Liebe, die nichts wert war. Da war keine Liebe mehr, nur noch Abscheu und Widerwille und Brechreiz. Ich zwang mich, eine Stunde zu bleiben, um mir alles genau anzusehen. Ich war im Dienst, ich hatte einen Auftrag, und ich sah, wer diese Frau wirklich war und wie sehr ich mich getäuscht und in welcher Zelle ich mich die ganze Zeit aufgehalten hatte. Ich war am Ziel und gleichzeitig am Ende. Sie sagte, sie würde mich lieben und vielleicht doch noch ein Kind bekommen, was ihr sehnlichster Wunsch sei. Ich sagte nichts mehr, ich ging weg, meldete mich bei Jannis krank, der mich für die Nachtschicht eingeteilt hatte.«
    Denning verstummte. Der Wind zauste seine Haare. Kein Spaziergänger kam vorüber, kein Kind rief mehr nach einer Katze. Das Plätschern des Weihers war da, das leise Rascheln des Schilfs.
    »Und jetzt?«, sagte Süden.
    »Jetzt.« Denning wollte einen Schritt machen, blieb aber stehen. »Jetzt fahre ich noch einmal nach München und verabschiede mich von Mia. Ich werde ihr sagen, dass mein Vater in Berlin gestorben ist und ich möglicherweise sein Geschäft weiterführen muss. Eine Bäckerei mit angeschlossenem Café. Dann gebe ich meinen Bericht an der Pforte vom LKA ab und bin verschwunden, bevor jemand meinen Freund Welthe informieren kann. Eigentlich, Süden, wollte ich es hier machen, an vertrautem Ort. Hier, wo es auch Elisa-Marie getan hat, damals, als ich ein Jugendlicher war.«
    »Das Mädchen, das im Weiher ertrank.«
    »Sie ist nicht ertrunken, sie hat sich das Leben genommen. Sie hinterließ einen Abschiedsbrief, den mir ihre Eltern später gezeigt haben. Wir kannten uns aus Schwabing. Bevor sie ins Wasser ging, trank sie Wodka mit Schlaftabletten und ließ sich dann einfach treiben, bis sie unterging. Sie war sehr geschickt. Niemand hat sie beachtet, auch ich nicht, erst, als es zu spät war. Sie schrieb, sie sähe keinen Sinn mehr im Leben, alles sei dunkel und trostlos. Und ich würde sie ignorieren, dabei habe sie sich extra ein neues Kleid gekauft und ihre Haare verändert, alles wegen mir. Aber ich würde durch sie durchschauen, wie alle Menschen. Sie hatte recht. Ich hatte sie nicht gesehen.« Er sah zum Weiher, wie schon oft, diesmal noch länger.
    »Nein, hier ist der falsche Ort. Auch wegen Anja und ihrer Familie. Das geht doch nicht. Ich werde in der Wohnung bleiben, in der ein Mann gehaust hat, den es nicht gibt. Passt alles.« Er wandte sich an Süden. »Überlegen Sie jetzt, wie Sie mich daran hindern können? Verschwendete Gedanken, mein Freund.«

    Der Junge neben ihr lächelte, als würde er sie kennen. Sein weiches, blasses Gesicht mit den hellen Augen, seine zerzausten Haare und die Art, wie er die Knie aneinanderrieb und mit den Beinen wippte, erinnerte Mia an einen anderen Jungen, dem sie einmal jeden Morgen das Frühstück ans Bett gebracht hatte. Sie wandte den Blick ab und sah wieder hinaus in die graue, noch vom Winter gezeichnete Landschaft, auf deren Erblühen in wenigen Wochen sie sich wie jedes Jahr freute wie ein Kind.
    Karl hatte alles zerstört. Es gab keinen Grund, den Jungen umzubringen. Und das war auch nicht geplant gewesen.
    Sie spürte den Blick des blonden Jungen neben sich. Er war zehn oder elf Jahre alt, genau wie der andere, dessen Name ihr nicht mehr einfiel. Sie überlegte eine Weile, dann gab sie es auf. Beinahe hätte sie angefangen zu weinen. Aufhören, dachte sie und ballte die Fäuste und schlug sie gegeneinander. Der Junge erschrak und hörte auf zu lächeln, was Mia nicht bemerkte. Er war in Gauting eingestiegen und hatte sich wie selbstverständlich neben sie gesetzt, obwohl noch andere Plätze im S-Bahn-Waggon frei waren. Eingemümmelt in einen blauen, dicken Anorak, mit einer schwarz-roten Bommelmütze und Handschuhen aus roter Wolle, hatte er bisher kein Wort gesprochen, er lächelte bloß und warf Mia muntere Blicke zu. Draußen endete die Landschaft, und die Peripherie mit ihren Gewerbegebieten und Wohnblocks begann.
    Sie kam nicht los von dem Jungen. Jetzt ärgerte es sie doch, dass sie seinen Namen nicht mehr wusste. Und Karl hatte ihn ermordet, weil er allen Ernstes glaubte, der Kleine würde ihn wiedererkennen. Dabei hätte der Junge höchstens sie, Mia, beschreiben können, weil sie ihn ins Auto gelockt und betäubt hatte. Aber nicht einmal das war sicher. Alles ging schnell und professionell vor sich, und später hatte sie eine Maske getragen, genau wie Karl, der nie begriffen hatte, was mit ihr los war, bis heute
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