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M: Ein Tabor Süden Roman (German Edition)

M: Ein Tabor Süden Roman (German Edition)

Titel: M: Ein Tabor Süden Roman (German Edition)
Autoren: Friedrich Ani
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glaubten, hätten die Detektive nicht sagen können.
    Sie hatten recht, wie sich später herausstellen sollte.
    Welche Zahl auf dem Pullover stand, konnten sie auf die Schnelle nicht sehen, möglicherweise eine weiße Zwei. Erstaunlich fanden sie, dass die Journalistin nicht schwitzte, jedenfalls hatte sie keine Schweißperlen auf der Stirn und kein gerötetes Gesicht, im Gegenteil: Ihre Wangen schienen im Lauf der vergangenen dreißig Minuten noch bleicher geworden zu sein.
    »Die Vermisstenanzeige haben Sie auf der Inspektion in Ihrem Viertel aufgegeben«, sagte Süden unvermittelt.
    »Nein«, erwiderte sie sofort. »Keine Vermisstenanzeige, die Polizisten meinten, ich solle abwarten. Ich habe keine Anzeige gemacht. Die Beamten würden doch sowieso nicht suchen.«
    Süden sah ihr zu, wie sie den Vertrag ausfüllte. »Sie wohnen in Neuhausen.«
    Mia nickte und unterschrieb den Vertrag.
    »Sie haben die Telefonnummer vergessen«, sagte Kreutzer, der aufgestanden und zum Besuchertisch gegangen war.
    »Entschuldigung. Ich schreibe die Nummer meiner Redaktion hin, da bin ich am besten zu erreichen.«
    »Abends auch?« Patrizia platzte fast vor nicht gesagten Worten.
    »Abends nicht, abends bin ich zu Hause oder bei Freunden im Kreis.«
    »Bitte auch Ihre Privatnummer«, sagte Kreutzer. »Am besten Ihre Handynummer.«
    »Ein Handy habe ich nicht.«
    »Sie haben kein Handy?«
    »Nein.«
    »Sie sind doch Journalistin«, sagte Kreutzer. »Brauchen Sie in Ihrem Beruf keines?«
    »In der Arbeit benutze ich ein Diensthandy, das ist erlaubt, und das reicht auch. Meine Freunde und ich treffen uns lieber persönlich.«
    Was meinte sie damit?, dachte Süden und sagte: »Sie haben mit Ihren Freunden über das Verschwinden Ihres Partners gesprochen.«
    »Nein. Mit niemandem. Nur mit Ihnen. Und das ist auch richtig so.«
    Auch zwei Minuten nachdem die Frau die Detektei verlassen hatte, herrschte noch Schweigen im Raum. Jeder blickte zur Tür und auf den in der Mitte des Tisches liegenden Vertrag und wieder zur Tür, und keiner wusste, was er denken sollte.

5
    A uf dem Weg in die Redaktion hätte sie gern ihre Freundin Isabel angerufen. Sie wollte ihr berichten, was passiert war und was sie getan hatte. Jedes Mal, wenn sie vor einer Telefonsäule stehen blieb, fürchtete sie sich so, dass sie weiterging. Das war keine konkrete Furcht – vor der vielleicht erbosten Reaktion ihrer Freundin, immerhin hatte sie ihr eine Woche lang nichts von Siegfrieds Verschwinden und ihren schlimmen Gedanken erzählt –, es war mehr dieses Rumoren in ihrem Bauch, ein Gemisch aus dumpfen Ahnungen und wüsten Erinnerungen, von denen sie überzeugt war, sie wären längst und für alle Zeit verschüttgegangen.
    Ihre Begegnung mit Siegfried hatte sie leichtsinnig gemacht, und das durfte sie nicht zulassen. Was sie gerade getan hatte, war so dumm, dass Karl sie dafür halb totprügeln würde. Karl, der aus der Versenkung aufgetaucht war und sich benommen hatte, als hätte er noch Rechte bei ihr. Dabei waren diese Rechte seit mindestens zehn Jahren ungültig. Darüber hatte sie mit Isabel gesprochen, und ihre Freundin hatte sie ermutigt, stark zu bleiben.
    Ich bin stark, dachte Mia Bischof, während sie durchs Leutegewühl im Stachus-Untergeschoss mit den Geschäften und Imbissbuden ging und niemandem auswich. Ich lasse mich nicht einschüchtern und rumschubsen, dachte sie, wie um sich selbst anzufeuern. Auf der Rolltreppe stieg sie, die Hände in den Jackentaschen und mit breitem Rücken, an den Stehenden vorbei nach oben und rempelte jeden an, der sich nicht rechtzeitig zur Seite drehte.
    In der Fußgängerzone der Schützenstraße geriet sie außer Atem und blieb keuchend stehen. Wegen Karl, dachte sie. Wegen ihm und niemandem sonst hatte sie die aberwitzige Entscheidung getroffen. Nur wegen ihm war alles so weit gekommen, dass sie fast die Kontrolle verlor. Und dass ihr Unbehagen nicht nachließ. Und die elende Sehnsucht, die ihr nicht passte und sie von tief innen her fester umklammerte, je heftiger sie sich dagegen wehrte.
    Wenn ihr Ex-Mann von dem Auftrag an die Detektei erfuhr, würde er sie totprügeln, dachte sie. Nicht halb tot, sondern tot. Er hatte sich nicht verändert, wozu denn auch? Aber sie? Wozu hatte sie sich geändert?
    Vor der Eingangstür ihrer Zeitung in der Augustenstraße fragte sie sich, ob sie einem Hirngespinst nachhing, einer blöden Einbildung. Im Aufzug zum zweiten Stock überlegte sie, den Auftrag zu stornieren, jetzt
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