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Lyra: Roman

Lyra: Roman

Titel: Lyra: Roman
Autoren: Christoph Marzi
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durch das Blätterwerk schimmerte, hing der Mond groß und voll. Die Sirenen standen vor dem Haus auf einem kleinen Platz, der an den Steg angrenzte.
    Die Kreolen, die bis zum Bauch im Wasser standen, hielten die Kerzen in die Höhe und stimmten einen Gesang an, der traurig und feierlich zugleich klang. Es war ein Summen, leicht wie der Schrei eines Reihers, verlassen im Dickicht.
    Zwischen den Eichen, die hier genauso aussahen wie draußen vor dem Maison Rouge, spannte sich ein Spinnennetz. Es war riesig, filigran, ein Kunstwerk.
    Das Bett, in dem Sunny gelegen hatte, in dieser Welt hier war es ein Spinnennetz.
    »Die weißen Baumwollspinnen«, erklärte Madame Cacaelia mit ruhiger Stimme, »konnten früher sogar sprechen.«
    »Wenn Sie wüssten, welche Geschichten sie zum Besten gegeben haben!«
    »Doch jetzt schweigen sie.«
    »Seit Jahren schon.«
    »Keiner weiß, warum.«
    Weil ihnen euer Gequatsche auf den Geist geht, dachte Danny wütend.
    Ehrlich gesagt, war es ihm scheißegal, ob die Baumwollspinnen redeten oder den Mund hielten. Mitten in dem Spinnennetz war seine Frau gefangen. Das war das Einzige, was ihn interessierte.
    Sie klebte an den Fäden, die ihre Handgelenke umschlossen und ihre Beine umwanden.
    Weiße Wesen huschten ihr über den Körper.
    Baumwollspinnen.
    Itsy bitsy spider...
    Er musste sich beruhigen. Er spürte, wie ihm das Herz bis zum Halse schlug. Er schwitzte. »Warum schläft sie?« Er versuchte es mit einer Frage. »Wir haben ihr Zypressenharztee gegeben.«
    Warum hatte sie ihn getrunken? Warum, in aller Welt, hatte sie etwas von diesen Hexen angenommen? Womöglich hatten sie Sunny gezwungen, ihn zu trinken.
    Trink mich!
    Iss mich!
    Füttere mich!
    Madame Cacaelia sagte mit gespieltem Bedauern: »Wissen Sie, Mr. Darcy, sie hat Sie nicht einmal vermisst.«
    »Was?«
    Er sah Sunny an. Sie sah so friedlich aus.
    »Sie hat den ganzen Abend mit Ihnen gesprochen, und dann ist sie zu Bett gegangen.« »Ja, ja, Sie beide haben sich glänzend unterhalten.« »Unten im Salon.«
    »Vielleicht«, erklärte Madame Cal, »sollte ich erwähnen, dass Ihre Frau den Tee von Ihnen bekommen hat.«
    »Von mir?«
    Fuck!
    Er hatte es befürchtet.
    »Wir haben sie das alles sehen lassen.«
    »Und es hat lange gedauert.«
    »Denn die Zeit ordnet sich immer nur der Geschichte unter, die sie für ihre Zwecke missbraucht, nicht wahr?«
    Danny schluckte.
    »Für Ihre Frau sind bereits einige Tage vergangen. Sie fühlt sich wohl an diesem Ort.«
    Sunny hatte die ganze Zeit über gedacht, er sei bei ihr. Wie konnte das sein? Enttäuscht fragte er sich, warum sie nichts bemerkt hatte.
    Natürlich wusste er die Antwort.
    Es konnte sein, weil das, was er erlebt hatte, auch geschehen war.
    »Lügen und Geschichten sind sehr mächtige Verbündete.«
    Nichts Neues, so weit.
    Wütend funkelte er sie an.
    Er stellte sich vor, wie Sunny in einer weiteren Lüge gelebt hatte. Sie hatten ihr etwas vorgegaukelt.
    »Zypressenharztee«, beruhigte ihn Calypso, »ist wohltuend.«
    »Und gut für das Kind.«
    Er ignorierte die Sirenen und berührte das Spinncnnetz.
    Ity bitsy,,.
    Die Baumwollspinnen nahmen keine Notiz von ihm.
    Spiders.
    Er schüttelte Sunny, doch sie rührte sich nicht. Er versuchte, die Fäden zu zerreißen, doch es misslang ihm. Sie waren fest wie Stahl und so klebrig, dass er selbst nur mit Mühe loskam.
    »Sunny, ich bin hier.« Sie musste ihn doch hören. »Sunny!«
    Nichts.
    »Suzanna!«, versuchte er es strenger.
    Keine Reaktion.
    Ihr Atem ging ruhig. Danny betrachtete ihren Bauch, dachte an Jenny, verzweifelte.
    »Oh, Danny Darcy.« Calypso war noch immer bei ihm. »Sie ist so wunderschön«, hauchte sie, »es ist ein Jammer, dass sie mich nie kosten wird.«
    Danny stieß sie fort.
    Calypso lächelte und entblößte die dunklen Zähne. Sie leckte sich über die Lippen wie ein Raubtier, das sich seiner Beute sicher ist.
    »Lass uns in Frieden!«
    Dann begannen sie zu singen, alle drei.
    Madame Cacaelia begann ihren Gesang. Sie hatte eine kräftige hohe Stimme, die wie ein Wirbelwind war. Dann setzte Madame Cal ein, tiefer und bedrohlicher, wie ein Baum, der im Sturm ächzt. Zuletzt Calypso, warm und dunkel.
    Sie sangen, und die Stimmen wurden zu einer einzigen.
    Madame Cal schloss die Augen.
    L 'Orient Es war so weit.
    Das war der Moment, in dem die Erneuerung stattfinden würde. Danny hatte keine Ahnung, WAS jetzt passieren würde. In Filmen gab es an dieser Stelle immer Lichteffekte. Es donnerte, und die
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