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Lyra: Roman

Lyra: Roman

Titel: Lyra: Roman
Autoren: Christoph Marzi
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funktioniert.«
    Danny wischte sich den Schweiß von der Stirn. Dann ging er in die Büsche, um zu pinkeln.
    Als er zurückkehrte, fühlte er sich besser.
    »Ich verfolgte also meinen Plan«, fuhr Calypso, die geduldig gewartet hatte, fort, »einen Plan, der zum Teil ein Plan der Calypso gewesen war.«
    Es war Sunny, die plötzlich fragte: »Wer sind Sie denn nun? Calypso oder die Lyra?«
    Die dunkle Schönheit lächelte. »Ich bin beide. Zwei Seelen wohnen in meiner Brust.« Zwei einsame Wesen, die nicht mehr allein waren. Die ihren Frieden gefunden hatten. »Aber ich nenne mich, wie ihr gesehen habt, die meiste Zeit über Calypso.« Sie lächelte. »Madame Calypso Fontaine.«
    »Warum haben Sie mich belogen?«, fragte Danny nach einer Weile. »Warum haben wir die Lyra gesucht?«
    »Du hattest keine Zuversicht mehr, Danny Darcy. Wir mussten den beschwerlichen Weg durch die Geschichtenwelt nehmen, um uns die Zuversicht zu verdienen.«
    Der Sumpf war zu einem leisen Ort geworden. Nacht senkte sich über alles.
    »Was wird jetzt geschehen?«, fragte Sunny, Die Lyra, deren Namen Calypso war, sagte es ihr. »Es gibt jetzt keine Sirenen mehr. Das waren die letzten.«
    »Und was wird aus uns?«
    »Ihr werdet leben«, sagte sie, »gemeinsam, zu dritt.« Sie lächelte, erhob sich, ging auf Sunny zu. Sie umfasste ihr Gesicht mit beiden Händen, sah ihr in die Augen. Dann küsste sie Sunny, so tief und fest, bis sie die Lüge zu packen bekam und da herauszog, wo sie nie hätte wachsen dürfen. »Es ist wieder gut«, sagte sie.
    Und die Nacht war plötzlich kein dunkler Ort mehr. »Ich hasse Epiloge«, sagte Sunny traurig. »Sie sind wie Songs, die leise enden.«
    Danny wusste, was sie meinte. »Es gibt kein Ende, niemals wirklich.«
    Denn die meisten Songs, das wussten sie jetzt beide, sind wie Träume, die ein Kind sich singt, um nicht allein zu sein. Sie sind wie weit entfernte exotische Länder, in die man sich aufmacht, um das Leben zu erfahren, in all seiner Pracht und Einfachheit. Hat man erst einmal einen Schritt in diese Gefilde getan, dann lassen sie einen nie wieder los. Die Lieder, die man fortan singt, werden leicht wie der Regen, der an warmen Sommertagen zu weißem Dampf über den Wassern in den Sümpfen wird, jenen Wassern, in denen sich noch immer wie kleine Eilande die Gewitterwolken spiegeln, die abgezogen sein werden, bevor der Song verklungen ist.
    »Was wird jetzt passieren?«, fragte Sunny.
    Sie waren Calypso auf ihren Schaufelraddampfer gefolgt, wo sie inzwischen zwei Tage verbracht hatten, die ruhig und still und voll von Musik gewesen waren. Aber bald würden sie abreisen, denn nichts dauerte ewig, nicht einmal Tage wie diese.
    Danny hatte seinen Bruder Colin in England angerufen und ihm mitgeteilt, was geschehen war. Jetzt wussten sie beide, dass es vorbei war. Jetzt wussten sie beide, dass sie leben konnten.
    Danny saß wie am vergangenen, so auch an diesem Abend auf dem Oberdeck und spielte auf der Gitarre, die Calypso ihm gegeben hatte. Es war eine Gibson - und wenn es Zufälle gab, dann sollten es solche wie dieser sein, immerzu und niemals anders.
    Er zupfte an den Saiten, ließ seine Finger nach der Melodie suchen, die schon seit Jahren auf den Moment wartete, endlich geboren zu werden. Er saß einfach nur da und sang vor sich hin, jonglierte mit dem Text und suchte in den Worten nach der Sonne, die über den Sümpfen schien und ihm alle zwei Stunden einen heißen Kaffee brachte, und das, obwohl sie Kaffee mehr als alles andere hasste, jetzt, da die Kleine bald zu ihnen stoßen würde.
    »Sie ist fort«, hatte sie geflüstert, als sie beieinandergelegen hatten.
    »Die Lüge?«
    »Ja.«
    Alles war nun wieder so, wie es immer gewesen war.
    »Keine Träume mehr?«
    Sie hatte ihn geküsst. »Nur du.« Und gelacht; ihr berühmtes Lachen, das ihm alle, alle Lieder war.
    Einen Tag, nachdem das Maison Rouge mitsamt der Sirenen aus der Welt entschwunden war, hatte Danny bei Billy Ray angerufen. Er hatte ihm versprochen zurückzukommen. Er würde sich mit den Jungs treffen und neue Songs schreiben, ja, viele neue Songs, so viele, dass sie ein ganzes neues Album füllen würden. Das Album, mit dem Dylan's Dogs die Bühnen der Folk-Szene erobern würden. Ja. Billy Ray war beruhigt gewesen, nachdem Danny ihn darüber in Kenntnis gesetzt hatte, dass er bereits zwei neue Songs in einer einzigen Nacht komponiert hatte. Zum Beweis hatte er sie ihm vorgespielt. Er hatte sie Jenny und The Weeping Alligator's Song
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