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Lyra: Roman

Lyra: Roman

Titel: Lyra: Roman
Autoren: Christoph Marzi
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waren wie Messerstiche. Sie blitzten im Mondlicht und waren scharf wie Stahl.
    »Zu viele Leute wissen, dass wir hier sind.«
    »Lafitte?«
    »Der hat keine Ahnung, wo er suchen muss.«
    »Und Laveau?«
    Madame Cacaelia klärte ihn auf: »Seine Urgroßmutter war hier die erste Voodoo-Königin. Marie Laveau - oh, sie hatte Anhänger im ganzen Land, müssen Sie wissen. Politiker und Geschäftsleute, sie alle reisten hier an, um sich die Zukunft weissagen zu lassen.« Sie lachte. »Ursprünglich war sie eine hundsgewöhnliche Friseuse, aber das interessierte bald niemanden mehr. Sie erzählte den Leuten ihre Geschichten und las den vornehmen Damen aus der gehobenen weißen Gesellschaft von New Orleans und Baton Rouge die Zukunft in allem, was sie ihr gaben.«
    »Manche behaupteten, dass sie eine Betrügerin sei«, merkte Madame Cal an.
    »Ja, sie sagten, dass sie sich die Informationen, die sie für ihre Horoskope benötigte, von den Bediensteten der Reichen holte. Man sagte ihr auch nach, dass sie ihre Konkurrentinnen allesamt mit Voodoo-Zauber getötet habe und dass in ihrem Haus eine sechs Meter lange Pythonschlange lebe, eine dunkle Manifestation des großen Zombie.«
    »Sie war eine Betrügerin.«
    »Wie ihr Urenkel.«
    Danny ahnte, was jetzt kommen würde. Er ahnte es, weil Betrüger immer nach dem gleichen Muster arbeiteten.
    »Wir lassen hin und wieder einige Geschichten laufen«, sagte Madame Cacaelia, »und erinnern die Sumpfleute daran, weshalb sie sich vor der Dunkelheit fürchten.«
    »Und Laveau verkauft seinen Gris-Gris-Kram an die Sumpfleute.«
    »Alles im Leben«, brachte es Madame Cal auf den Punkt, »ist ein Geschäft.«
    »Das hat Laveau auch gesagt.« Er hatte Danny also auflaufen lassen.
    Die drei Schwestern lachten.
    Madame Cacaelia sagte: »Sie beide, Lafitte und Laveau, werden eine Geschichte zu hören bekommen, die sie glauben und weitererzählen können.« Ihre Stimme wurde hell und klar. »Sie werden wunderbare Gedanken haben, die sie fliegen lassen, und dann werden sie nach Hause gehen und von all den Dingen träumen, die sie nicht einmal in ihren tiefsten Abgründen getan haben.« Die Melodie ihrer Stimme schwoll an.
    »Mir können Sie keine Geschichte auftischen.«
    »Wir werden Sie den Alligatoren vorwerfen«, sagte Madame Cacaelia, als sei das die naheliegendste Lösung. »Und Ihre Frau wird ihr Kind hier in diesen Mauern zur Welt bringen. Das Maison Rouge ist eine gute Hebamme.«
    »Und ein fürsorgliches Kindermädchen.«
    »Wir werden uns der Kleinen annehmen.«
    »Sie wird hier aufwachsen, in dem Haus, das sie wie ihre Westentasche kennt.«
    »Aber...«
    »Keiner wird es bemerken.«
    Danny zog sich der Magen zusammen.
    Er fragte sich, wie das Ritual aussehen würde.
    »Was werden Sie mit Sunny tun?« Niemand hatte bisher von ihr gesprochen.
    Es war Calypso, die antwortete: »Das willst du nicht wirklich wissen.«
    »Und dies hier«, verkündete Madame Cal, »ist der Ort, an dem es geschehen wird.«
    Der Raum veränderte sich.
    Einfach so.
    Mit ihrem Fingerschnippen.
    Sie befanden sich auf einer kleinen Lichtung mitten im Bayou. Natürlich wusste Danny, dass sie in Wahrheit den Raum im Maison Rouge nicht verlassen hatten, aber die Illusion war perfekt. Und so wirklich, wie eine Lüge nur sein konnte.
    Eine kleine schäbige Kate stand am Rand einer Insel. Die Wurzeln der Bäume schoben sich unter ihr ins brackige Wasser, das den Mond spiegelte. Die tief hängenden Äste der Bäume berührten das Wasser, in dem Hunderte von Kreolen mit Kerzen in den Händen standen.
    »Wenn wir uns schon etwas vorstellen«, sagte Madame Cal, »dann doch etwas Stimmungsvolles.«
    Ein Alligator schwamm im Wasser, inmitten all der Menschen.
    Danny stand jetzt auf torfigem Untergrund.
    Calypso noch immer neben ihm.
    Madame Cal und Madame Cacaelia wirkten äußerst zufrieden. »Sehen Sie die Hütte dort?«
    »Als das Maison Rouge noch ganz klein und gerade in den Sümpfen angekommen war, da sah es so aus. Ganz mickrig, wie verhungert, winzig und schwach.«
    »Damit Sie sehen, was wir aus ihm gemacht haben.«
    »Eine mächtige Festung.«
    »Ein stolzes Anwesen.«
    »Auf das die Menschen mit Ehrfurcht blicken.«
    »Weil sie die Geschichten kennen, die man sich erzählt.«
    »Weil sie die Geschichten fürchten, aus denen es erbaut wurde.«
    »Und tief in ihrem Innern spüren, dass noch immer Geschichten in ihm leben.« Danny schluckte. Es war heiß hier draußen.
    Oben am mit Sternen besprenkelten Himmel, der
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