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LYING GAME Und raus bist du

LYING GAME Und raus bist du

Titel: LYING GAME Und raus bist du
Autoren: Shepard Sara
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liebte. Emma hatte die Sternfamilie am Himmel nicht auf ihre Erinnerungen gegründet, sondern auf eine tiefe Sehnsucht.
    Die Glasschiebetür öffnete sich und Emma wandte den Kopf. Travis, der achtzehnjährige Sohn ihrer neuen Pflegemutter, stolzierte auf die Veranda und ließ sich auf dem Gartentisch nieder.
    »Sorry, dass ich vorher so ins Bad geplatzt bin«, sagte er.
    »Schon okay«, murmelte Emma düster und rutschte langsam von Travis’ ausgestreckten Beinen weg. Sie war ziemlich sicher, dass es Travis nicht leidtat. Er versuchte schon seit einiger Zeit mit beinahe sportlichem Eifer, sie nackt zu erwischen. Heute trug Travis eine blaue, tief ins Gesicht gezogene Baseballkappe, ein übergroßes Karohemd und weite Jeans-Shorts, deren Schritt ihm beinahe in den Kniekehlen hing. Lückenhafte Bartstoppeln bede ckten das Kinn seines spitznasigen, schmallippigen Gesichts mit den erbsengroßen Augen. Er war nicht männlich genug für richtigen Bartwuchs. Seine blutunterlaufenen braunen Augen waren lüstern zusammengekniffen.
    Emma spürte seinen Blick auf ihrem engen T - Shirt, ihren nackten, gebräunten Armen und ihren langen Beinen.
    Mit einem Grunzen griff Travis in seine Brusttasche, zog einen Joint heraus und zündete ihn an. Als er eine dicke Rauchwolke in ihre Richtung blies, erwachte der Insektenfänger zum Leben und vernichtete mit einem blauen Lichtblitz zischend einen weiteren Moskito. Wenn sich doch nur Travis auch so leicht loswerden ließe. Verpiss dich, du stinkst übelst , hätte Emma gerne gesagt. Kein Wunder, dass dich kein Mädchen zweimal anschaut. Aber sie biss sich auf die Zunge. Die Retourkutsche würde in ihren Ungesagte-Retourkutschen-Ordner wandern, eine Liste, die sie in einem schwarz gebundenen Notizbuch führte. Die Retourkutschen-Liste, kurz UR , bestand aus schlagfertigen, gehässigen Bemerkungen, die Emma gerne zu Pflegemüttern, gruseligen Nachbarn, gemeinen Klassenkameradinnen und einer Menge anderer Kandidaten gesagt hätte. Meist hielt Emma aber ihre Zunge im Zaum – es war einfacher, zu schweigen, keinen Ärger zu machen und sich in die jeweilige Art von Mädchen zu verwandeln, die eine Situation erforderte. Im Laufe der Jahre hatte Emma so ein paar beeindruckende Überlebensstrategien entwickelt : Als Zehnjährige hatte sie ihre Reflexe trainiert, um den Gegenständen auszuweichen, die ihr temperamentvoller Pflegevater Mr Smythe bei Wutanfällen um sich warf. Als Emma in Henderson bei Ursula und Steve gelebt hatte, zwei Hippies, die ihr eigenes Gemüse anbauten, aber keine Ahnung hatten, wie man es zubereitete, hatte Emma widerwillig den Küchendienst übernommen und gelernt, wie man Zucchinibrot, Gemüsegratin und leckere Pfannengerichte kochte.
    Emma war erst vor zwei Monaten bei Clarice eingezogen, einer alleinerziehenden Mutter, die als Barkeeperin in der VIP -Abteilung des M-Resort-Casinos arbeitete. Seitdem hatte Emma den Sommer damit verbracht, zu fotografieren und stundenlang Minesweeper auf dem alten BlackBerry zu spielen, den ihr ihre Freundin Alex noch in Henderson geschenkt hatte. Außerdem hatte sie einen Teilzeitjob. Sie bediente die Achterbahn im New-York-New-York-Casino. Und ansonsten versuchte sie, Travis so gut als möglich aus dem Weg zu gehen.
    Dabei hatte alles so gut angefangen. Zuerst hatte Emma versucht, sich mit ihrem neuen Pflegebruder anzufreunden. Nicht alle Pflegefamilien waren mies, und sie hatte schon mehrmals mit den anderen Kids Freundschaften geknüpft. Es hatte sie allerdings immer eine Menge Kraft gekostet. Sie hatte Interesse an all den YouTube-Videos geheuchelt, die Travis sich anschaute, meistens Anleitungen für Kleinkriminelle: Wie schließt man ein Auto mithilfe eines Handys kurz? Wie knackt man einen Getränkeautomaten? Wie öffnet man ein Vorhängeschloss mit einer Bierdose? Emma hatte sich schweren Herzens mit Travis ein paar Ultimate-Fighting-Showkämpfe im Fernsehen angeschaut und sogar versucht, sich das Wrestling-Vokabular anzueignen. Ihre Versuche, nett zu sein, endeten allerdings eine Woche später, als Travis versuchte, sie zu befummeln, während sie vor dem offenen Kühlschrank stand. »Du warst so nett zu mir«, hatte er ihr ins Ohr gemurmelt, bevor Emma ihm »versehentlich« in die Eier trat.
    Sie wollte hier nur ihr letztes Schuljahr überstehen. Heute war Labor Day, und die Schule fing am Mittwoch wieder an. Sie hatte die Option, nach ihrem achtzehnten Geburtstag in zwei Wochen bei Clarice auszuziehen, aber das würde
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