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Lydia Strong 01 - Im Herzen die Sünde

Lydia Strong 01 - Im Herzen die Sünde

Titel: Lydia Strong 01 - Im Herzen die Sünde
Autoren: Lisa Unger
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aber inzwischen fühlte er sich von den Ereignissen überrollt. War er ein Versager? Ja, so oder so ähnlich musste es sich anfühlen. Er wusste, dass seine Frau ihn anders sah. In ihren Augen war er ein Held, selbst nach der Sache in St. Louis, denn er hatte seine Fehler eingesehen und an sich gearbeitet. Sie hatte ihm eben noch gesagt, wie sehr sie ihn bewunderte. Aber er bekam nur ein noch schlechteres Gewissen, weil sie ihn so aufrichtig liebte. Nichts wünschte er sich mehr, als sich eines Tages ihrer Liebe würdig zu erweisen. Heute Abend musste er sich eingestehen, dass dieser Tag wohl niemals kommen würde, und das war schmerzlich – fast so schmerzlich wie seine Gier nach einem doppelten Scotch.
    Womöglich war der Mörder längst über alle Berge, oder er hielt sich irgendwo in der Nähe auf, weil er kein Versteck und keinen Plan mehr hatte. Simon Morrow versuchte, die Verzweiflung dieses Hugo ansatzweise nachzuvollziehen. Sie hatten beide etwas Wichtiges verloren. Ja, der Unterschied war groß. Aber konnte sich nicht jeder Mensch mit dem Leid eines anderen identifizieren?
    Wie oft hatte er sich nicht gewünscht, nach St. Louis zurückzukehren. Nicht als Besucher, nicht als der Mann, der er heute war, sondern als der Chief von damals, der verdammt gute Arbeit geleistet hatte. Er hatte große Stücke auf sich gehalten und nie einen Moment des Selbstzweifels oder der Schuldgefühle erlebt. Was würde er nicht darum geben, jene Hallen noch einmal als junger Mann zu betreten, von vorn anzufangen. Vielleicht kannte auch Bernard Hugo dieses Gefühl.
    Morrow stand auf und schob die Glastür zum weitläufigen Wohnzimmer auf. Er nahm seine Autoschlüssel vom Küchentresen und seine Regenjacke von der Stuhllehne. Er verließ das Haus durch die Vordertür und stieg in den Streifenwagen, der in der Einfahrt stand. Als er die Hände auf das Lenkrad legte, wurde er von Ekel erfasst, so als stünde es ihm nicht zu, öffentliches Eigentum zu benutzen. Er würde eine kleine Spritztour zu dem Krankenhaus unternehmen, in dem Bernard Hugo früher gearbeitet hatte.
    Junos verbliebene Sinne verrieten ihm, dass er am falschen Ort war. Es roch nach Rosen und Pfefferminz. Das Bett war zu weich, die Laken zu frisch. Er konnte Mrs Turvey unten in der Küche hören, sie spülte das Geschirr vom Abendessen und summte vor sich hin. Er musste eingedöst sein. Trotz seines Kummers und der bestürzenden Enthüllungen hatte er gut gegessen. Aber jetzt musste er sofort zurück zur Kirche. Sein Verstand riet ihm etwas anderes, aber sein Herz sehnte sich nach der vertrauten Umgebung. Es war nicht nur der Wunsch, allein zu sein; eine höhere Macht bedeutete ihm, dass er nicht hierher gehörte.
    Es war nicht weit, sicher konnte er die Strecke zu Fuß bewältigen. Als Kind hatte er das oft getan. Bestimmt fand er den Weg. Er hatte seinen Stock dabei. Mrs Turvey hatte ihm gesagt, sie habe ihn an den Türrahmen gelehnt. Allerdings musste er warten, bis sie im Bett war. Er wollte sie nicht aufregen. Außerdem würde sie bestimmt versuchen, ihn aufzuhalten. Er würde still liegen bleiben und warten, bis sich im Haus nichts mehr regte. Und dann ginge er endlich nach Hause.

FÜNFUNDZWANZIG
    A ls sie vor dem Haus hielten, tippten sich zwei uniformierte Polizisten an die Mütze.
    »Der Mann vom Sicherheitsdienst war hier, Miss Strong«, sagte ein junger Officer mit Babyface. »Er hat einen neuen Sicherungskasten in der Garage installiert.«
    »Perfekt«, sagte Jeffrey, »leider nur ein bisschen spät.«
    »Ja, Sir«, antwortete der Polizist.
    »Wenn Ihnen kalt wird, können Sie gern auf einen Kaffee ins Haus kommen«, sagte Lydia und zog sich den cremeweißen Wildledermantel enger um die Schultern.
    »Danke, Miss Strong.«
    Als sie die Türklinke aus gebürstetem Chrom berührte und das Haus betrat, fühlte es sich seltsam an zu wissen, dass Bernard Hugo hier gewesen war. Dieselbe Hand, die Unschuldige ermordet und Herzen herausgeschnitten hatte, hatte auf dieser Klinke gelegen.
    »Warum hat er gestern nicht auf uns gewartet?«
    »Wer?«
    »Bernard Hugo.«
    »Nun ja, wir sind bewaffnet.«
    »Woher sollte er das wissen?«
    »Er ist davon ausgegangen.«
    »Trotzdem. Wenn er es tatsächlich darauf abgesehen hat, mich zu töten …«
    »Vielleicht will er das gar nicht.«
    »Was will er dann?«
    »Ich weiß es nicht, Lyd«, sagte Jeffrey, zog sie an sich und küsste sie.
    Bei der ganzen Aufregung hatte Lydia kaum Gelegenheit gehabt, sich über gestern
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