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Lux perpetua

Titel: Lux perpetua
Autoren: dtv
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Räuber, Zauberer, Mädchenschänder, Gotteslästerer, Heiligenschänder, Sodomit
     und Brudermörder, ein Schuldiger durch zahllose Verbrechen, ein Lump, der
ultimus diebus Decembris
den guten und edlen Herzog Johann, den Herrn von Münsterberg, auf verräterische Weise, durch einen Stoß in den Rücken, ermordet
     hat.«
    »Daher schließen wir im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes, im Namen aller Heiligen des Herrn und kraft
     der uns anvertrauten Macht den Apostaten Reinmar von Bielau aus unserer Gemeinschaft des Körpers und des Blutes unseres Herrn
     aus, wir durchschneiden die Bande, die ihn mitdem Schoß der Kirche verbinden, und stoßen ihn aus der Gemeinschaft der Gläubigen aus.«
    Die Stille, die in den Kirchenschiffen herrschte, wurde jetzt lediglich durch ein Keuchen und ein Atmen durchbrochen. Jemand
     hustete unterdrückt. Jemand hatte Schluckauf.
    » Anathema sit!
Verflucht sei Reinmar von Bielau! Verflucht sei er im Haus und außer Haus, verflucht im Leben und im Sterben, stehend und
     sitzend, in seinem Tun und Gehen, verflucht in Stadt, Land und Flur, verflucht auf den Feldern, in den Wäldern, auf Wiesen
     und Weiden, auf den Bergen und in den Tälern. Unheilbare Krankheit, Pestilenz, ägyptische Geschwüre, Hämorrhoiden, Krätze
     und Räude mögen seine Augen, den Hals, die Zunge, den Mund, die Brust, die Lunge, die Ohren, die Nase, die Schultern, die
     Hoden und jedes Körperglied vom Kopf bis zu den Füßen befallen. Verflucht sei sein Haus, sein Tisch und sein Bett, sein Pferd,
     sein Hund, verflucht seien seine Speisen und Getränke und alles, was er besitzt.«
    Elencia spürte, wie ihr die Tränen die Wangen hinunterrannen.
    »Wir erklären Reinmar von Bielau für mit dem ewigen Anathema belegt, verdammt dazu, in den Höllenschlund mit Luzifer und den
     gefallenen Engeln zu fahren. Wir zählen ihn zu den dreifach Verdammten, ohne Hoffnung auf Vergebung. Möge sein Licht auf immer
     und von Ewigkeit zu Ewigkeit erloschen sein zum Zeichen dafür, dass er als Verdammter im Gedächtnis der Kirche und der Menschen
     gelöscht ist. So soll es sein!«
    » Fiat! Fiat! Fiat!« ,
sagten die Prälaten in ihren weißen Messgewändern mit Grabesstimme.
    Der Bischof streckte den Arm aus, drehte die Kerze mit der Flamme nach unten und ließ sie zu Boden fallen. Die Prälaten folgten
     seinem Beispiel, das Klappern der fallen gelassenen Kerzen auf den Bodenfliesen mischte sich mit dem Geruch von heißem Wachs
     und dem Rauch der erlöschenden Dochte. Die große Glocke schlug. Dreimal. Dann schwieg sie. Das Echo hallte noch lange nach
     und erstarb dann im Gewölbe.
    Es stank nach Wachs und Rauch, nach feuchter, lange nicht gewechselter Kleidung. Jemand hustete, jemand hatte Schluckauf.
     Elencia schluckte ihre Tränen hinunter.
     
    Die Glocke der nahen Maria-Magdalena-Kirche kündigte mit einem Doppelschlag die None an. Als Echo antwortete, nur wenig verspätet,
     St. Elisabeth. Vom Fenster her klangen der Lärm und das Räderrollen in der Schustergasse herauf.
    Kanonikus Otto Beess wandte seinen Blick ab von dem Bild, welches das Martyrium des heiligen Bartholomäus darstellte, neben
     einem Gestell mit Leuchtern und einem Kruzifix der einzige Schmuck der kahlen Wände der Kammer.
    »Du riskierst sehr viel, mein Junge«, sagte er. Das waren die ersten Worte, die er sagte, nachdem er die Tür geöffnet und
     gesehen hatte, wer vor ihm stand. »Du riskierst wirklich sehr viel, wenn du dich in Breslau sehen lässt. Meiner Meinung nach
     ist das schon kein Wagnis mehr. Das ist eine gefährliche Tollheit.« »Glaub mir, ehrwürdiger Vater«, Reynevan senkte den Blick,
     »ich wäre nicht hierhergekommen, wenn ich nicht gute Gründe dafür hätte.«
    »Die ich mir durchaus vorstellen kann.«
    »Vater
. . .
«
    Otto Beess schlug mit der flachen Hand auf den Tisch und hieß Reynevan mit einer raschen Bewegung der anderen Hand schweigen.
     Er selbst schwieg auch lange.
    »Nur so unter uns«, fragte er schließlich, »der Mann, den du vor vier Jahren, nach Peterlins Ermordung, auf mein Geheiß hin
     aus dem Kloster der Striegauer Karmeliter herausgeholt hast
. . .
Wie solltest du ihn gleich noch mal nennen?«
    »Scharley.«
    »Scharley, ha! Hast du immer noch Kontakt zu ihm?«
    »In letzter Zeit nicht. Aber ansonsten schon.«
    »Wenn du also ansonsten diesen
. . .
Scharley triffst, dann richte ihm aus, dass ich mit ihm noch ein Hühnchen zu rupfen habe. Er hat mich sehr enttäuscht. Der
    
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