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Lux Domini - Thomas, A: Lux Domini

Titel: Lux Domini - Thomas, A: Lux Domini
Autoren: Alex Thomas
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und
    Geheimnisvolles, wie eine alte Burg, von deren Türmen und Zinnen
    groteske Halluzinationen ausgingen, aber auch Hoffnung und Stärke, im
    Einklang mit einer seltsamen Melancholie. Spontan fielen Catherine die
    unsterblichen Worte von Shakespeare ein: »Wir sind aus dem Stoff, aus
    dem die Träume sind, und unser kleines Leben ist von Schlaf umringt.«
    Genau dieser Satz beschrieb die Aura der Villa, und genau dieses Zitat
    hatte Darius einmal verwendet, als sie in Irland eines der geisterhaften Ruinenklöster besichtigt hatten.

85.

    Auf dem großen Parkplatz vor der Freitreppe standen bereits mehrere
    schwarze Limousinen, vermutlich die Wagen des Heiligen Vaters,
    Cibans und der Vatikanpolizei. Die Autokennzeichen der Fahrzeuge
    waren jedoch neutral. Catherine erinnerte sich daran, dass die Villa nach dem Tod Benellis an den Clan der Cibans zurückgefallen sein musste.
    Auch hatte Benelli ihr erklärt, dass die Familie die Villa seit dem Tod
    eines Familienmitglieds, Kardinal Cibans Schwester Sarah, mied. Sie
    fragte sich, weshalb das Treffen nun ausgerechnet hier stattfand und
    nicht im Vatikan, der Engelsburg oder auf Castel Gandolfo.
    Als Catherine die gewaltige Freitreppe hinaufeilte – Rinaldo hielt den
    gröbsten Regen mit einem großen Schirm von ihnen ab –, hatte sie gleich
    zwei Déjà-vus. Zum einen sah sie, wie sie das Gebäude zum ersten Mal
    in Begleitung von Ben betreten hatte, zum anderen, wie zwei Sanitäter
    Benellis toten Körper auf einer Trage die Treppe hinunter zu einem
    Krankenwagen gebracht hatten. Beides schien Jahre her zu sein, dabei
    hatte es sich gerade erst vor wenigen Tagen ereignet.
    Rinaldo ließ den Schirm in der Eingangshalle stehen und führte
    Catherine an dem großen Ballsaal vorbei, wobei sie einige äußerst
    prachtvolle Flure und Räume durchquerten. Wie Rinaldo erklärte,
    passierten sie unter anderem die Stuckgalerie mit Szenen aus den
    Metamorphosen Ovids und ausgesuchten Mythen der Antike. Etliche
    Gemälde zierten das Gewölbe. In einer Darstellung glaubte Catherine
    Narziss zu erkennen, der selbstverliebt sein Spiegelbild im Wasser
    betrachtete. Wie sie weiter erfuhr, krönte das Zentrum der Villa eine
    herrliche, mit Doppelsäulen versehene Wendeltreppe, die die erste und
    zweite Etage miteinander verband. Auch gab es in den unterirdischen
    Tiefen der Villa so etwas wie ein Burgverlies.
    Schließlich öffnete Rinaldo eine hohe, schwere, kunstvolle Tür und
    bedeutete Catherine hindurchzugehen. Als die junge Nonne den
    dahintergelegenen Raum betrat, hielt sie den Atem an. Sie stand in einer der beeindruckendsten Privatbibliotheken, die sie je gesehen hatte. Die
    Regalwände mit unzähligen alten und neuen Büchern reichten fast bis zu
    dem farbenprächtigen Deckenfresko, unterbrochen durch eine
    großzügige, rundherumreichende Galerie. In der Mitte des Raums
    standen mehrere Lesepulte. Drei riesige Globen schmückten die Ecken,
    während eine elegante Wendeltreppe in der vierten Ecke zur Galerie
    hinaufführte. Auf der einen Seite befanden sich in regelmäßigen
    Abständen zwischen den Regalen deckenhohe Fensterfronten, die für
    ausreichend Helligkeit sorgten. Das Deckenfresko zeigte eine
    allegorische Darstellung der Wissenschaft und des Glaubens sowie die
    vier Kardinaltugenden in der Gestalt von Engeln: Klugheit,
    Gerechtigkeit, Stärke und Mäßigung.
    Als Catherine nähertrat, entdeckte sie vor einem der Fenster einen
    kostbar und üppig gedeckten Tisch mit feierlich brennenden Kerzen. Der
    Papst und sein Sekretär, Monsignore Massini, die beim Fenster
    gestanden und hinausgeschaut hatten, drehten sich zu ihr um, kamen auf
    sie zu und begrüßten sie. Leo wirkte völlig in sich ruhend und erholt, so als hätte es die Strapazen der letzten Tage gar nicht gegeben. Massini
    hingegen sah man die Erschöpfung nach wie vor an, daher
    verabschiedete er sich auch sogleich wieder, um, wie er es ausdrückte,
    seinen versäumten Schönheitsschlaf nachzuholen. Catherine erschien es
    jedoch eher, als sei der Sekretär von einem inneren Dämon getrieben.
    »Heiligkeit.«
    Der Papst blickte ihr in die Augen. »Schön, dass Sie kommen konnten,
    Catherine. Marc … Verzeihen Sie … Kardinal Ciban wird sich ein klein
    wenig verspäten. Er ist noch bei einem Treffen mit Kardinal Gasperetti.«
    Er deutete auf die Bücherwände, die sie umgaben. »Beeindruckend, nicht
    wahr?«
    Catherine nickte. »Ehrlich gesagt, bin ich ein wenig sprachlos.«
    Leo lächelte. »Sie fragen
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