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Lux Domini - Thomas, A: Lux Domini

Titel: Lux Domini - Thomas, A: Lux Domini
Autoren: Alex Thomas
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Monaten hatte er in einer Ausgrabungsstätte im antiken Jerusalem
    gearbeitet, in Golgatha, doch dann hatte Seine Heiligkeit Johannes Paul
    I. ihn unerwartet nach Rom gerufen. In den Tiefen der Vatikanischen
    Grotten hatte man hinter einer brüchigen Wand ein bis dato unbekanntes
    und völlig untypisches Tunnelsystem entdeckt, ein Labyrinth, das nicht
    einmal auf den Grundrisskarten von Antonio Bosio verzeichnet war, dem
    Kolumbus der römischen Katakomben aus dem frühen siebzehnten
    Jahrhundert.
    »Kann ich Ihnen helfen?« Sebastiano hatte sich in dem engen Schacht
    ein paar Zentimeter näher herangeschafft. Sein Gesicht war über und
    über mit Staub beschmiert.
    »Nein, dafür ist zu wenig Platz«, erklärte Kleier. »Die Bürste, bitte.«
    Der Assistent reichte ihm die Bürste, die eher ein stabiler Handfeger war, und versuchte einen Blick über die Schulter des Doktors auf die Stelle zu erhaschen, die diesen so sehr faszinierte. Selbst Sebastiano schien zu
    spüren, dass hier, tief unter den Fundamenten des Petersdoms, etwas
    Einzigartiges auf seine Entdeckung wartete.
    Vorsichtig strich der Wissenschaftler mit der Bürste über den restlichen Staub in den Rillen der Verzierung und erkannte nach und nach auf dem
    Stein das Symbol eines Wappens – eines päpstlichen Wappens! Wobei
    ein Teil davon tatsächlich der Griff war.
    Dann erkannte Kleier, was er da vor sich hatte. Es war das Emblem von
    Papst Pius XII., jenes Kirchenoberhaupts, das während des Holocausts
    als höchste moralische Autorität der katholischen Kirche eisern
    geschwiegen hatte.
    Sebastiano reckte den Kopf und kam noch ein paar Zentimeter näher.
    Kleier umfasste den Griff und versuchte die steinerne Falltür
    aufzuziehen. Es gelang verblüffend mühelos, anscheinend von einer
    unsichtbaren Mechanik unterstützt. Doch nun stand ihm die rechteckige
    steinerne Falltür in dem kleinen Raum im Wege, und er konnte nicht in
    die Öffnung hineinsehen. Er spähte über die offene Falltür. Sebastiano
    ebenso, wobei der Assistent den Archäologen so unglücklich anrempelte,
    dass der Stein nach vorne stürzte, die Öffnung und einen Teil des festen Bodens durchschlug und mit lautem Gepolter in ungeahnte Tiefen fiel.
    In der einen Sekunde stellte Kleier sich vor, wie er die Hände um
    Sebastianos Hals legte und langsam zudrückte, in der nächsten lagen sie
    beide wie erstarrt der Länge nach auf dem Boden und warteten, bis das
    Getöse verstummte. Jetzt konnten sie nur noch beten. Der Hohlraum
    unter ihren Füßen schien immens zu sein, und der Boden unter ihren
    Leibern konnte nachgeben, sofern sie ihr Körpergewicht nicht
    gleichmäßig darauf verteilten.
    Der Wissenschaftler bat um den größeren Scheinwerfer, robbte bis zur
    Öffnung, beugte sich vornüber und hielt den Strahler in die bodenlose
    Finsternis.
    »Gütiger Gott!«
    Die steinerne Falltür war eine breite geländerlose Treppe
    hinuntergestürzt und zerbrochen am Ende der steil hinablaufenden
    Stufen liegen geblieben. Nach der Größe der Treppe zu schließen,
    musste der Raum, der unter ihm und Sebastiano lag, riesig sein.
    Kleier gab seinem Assistenten ein Zeichen, sich nicht von der Stelle zu
    rühren, dann kroch er noch ein Stück weiter vor. Ja, er rutschte sogar ein Stück weit die mit Schutt bedeckte Treppe hinunter, während Sebastiano
    oben, flach auf dem Boden liegend, Wache hielt, falls etwas passierte. Er ließ den Lichtkegel so lange kreisen, bis dieser auf eine Wand traf. Dann begann er mit Hilfe des Lichtstrahls den großen Raum entlang der Wand
    zu erkunden, während er langsam und vorsichtig die geländerlose Treppe
    hinunterstieg. Er schrak zurück, hätte fast laut aufgeschrien, als er
    glaubte, mit seinem Scheinwerfer auf ein Monster gestoßen zu sein.
    Nein, er hatte solch eine Malerei noch nie zuvor gesehen. Diese
    Bildnisse hatten nichts Menschliches. Sie waren einfach zu perfekt, um
    menschlich zu sein. Irgendwie erinnerte ihn der von dem Lichtstrahl
    erhellte Auszug an eine altjüdische Schrift außerhalb der Bibel, genauer an die Passage mit Michael, dem großen Engelsfürsten, der in Israel auf
    dem Karmelberg dem Propheten Elias das Ende aller Zeitalter offenbart.
    Der Lichtkegel wanderte weiter, immer noch dieselbe Wand entlang, und
    Kleier sah, wie in der Wandmalerei Feuer und Schwefel vom Himmel
    auf die Gottlosen strömten. Das Wehklagen in der ewigen Unterwelt. Es
    war ein entsetzlicher Anblick. Dennoch ließ er das Licht des Strahlers
    weiterwandern,
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