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Lux Domini - Thomas, A: Lux Domini

Titel: Lux Domini - Thomas, A: Lux Domini
Autoren: Alex Thomas
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unverzüglich einen vatikanischen
    Ermittler in eine entlegene Abtei wie Rottach entsandte?
    »Es tut mir leid, dass wir Ihnen für Ihre Anreise kein besseres Wetter
    bieten können«, erklärte der Abt. »Noch gestern hatten wir den
    schönsten Sonnenschein.«
    Ben machte eine verständnisvolle Geste. »Was wäre der schönste
    Sonnenschein ohne diesen Kontrast!« In Wahrheit mochte er lieber nicht
    an die Rückfahrt denken.
    Dominikus nickte gnädig, dann sagte er ernst: »Wir haben alles für Sie
    vorbereitet. Der Leichnam ist in der Sakristei aufgebahrt.«
    »Danke, Ehrwürden. Wie ich hörte, wurde der Totenschein bereits
    ausgestellt?«
    Der Abt räusperte sich. »Der Arzt war gestern Abend hier und hat ihn
    untersucht.«
    »Und wie lautet die Diagnose?«
    »Sturz mit Todesfolge«, erklärte Dominikus schlicht.
    Sie betraten den vor Wind und Wetter geschützten Kreuzgang, der an die
    Abteikirche grenzte, und Ben war von der schlichten Atmosphäre des
    Gewölbes und der Säulen beeindruckt. Er folgte Dominikus schweigend
    und versuchte etwas von der Ruhe, die der Kreuzgang ausstrahlte, in sich aufzunehmen.
    »Wir sind da«, sagte der Abt, öffnete eine schwere Tür und schaltete das Licht ein.
    Ben trat mit den beiden Mönchen an die Bahre. Ein weißes Laken
    bedeckte den Toten. Wie klein und unscheinbar Darius darunter wirkte.
    Keine Schmutz- oder Blutspuren waren auf dem Laken zu sehen.
    Natürlich, sie hatten den Körper gerichtet und gereinigt – und damit
    vermutlich jede Spur verwischt, die ihm hätte dienlich sein können.
    Ben war sich nicht sicher, womit er zu rechnen hatte. Noch nie zuvor in
    seinem Leben hatte er einen zerschmetterten Körper gesehen. Er schlug
    das Laken zurück und fürchtete, all seine Kraft mobilisieren zu müssen,
    damit er beim Anblick nicht ächzte. Doch der leblose Leib lag einfach
    nur friedlich da, auf dem Rücken, mit dem Gesicht nach oben, nicht
    annähernd so geschunden, wie er es sich in seiner Vorstellung ausgemalt
    hatte. Die Mönche hatten erstaunlich gute Arbeit geleistet.
    »Was hoffen Sie zu finden?«, fragte Dominikus.
    Ben brauchte einige Sekunden, um auf die Frage zu reagieren. »Das
    weiß ich noch nicht genau.« Er drehte sich zu dem Abt um. »Was ist mit
    seiner Kleidung?«
    »Die haben wir verbrannt.«
    Ben unterdrückte ein Seufzen und sagte: »Würden Sie mich jetzt bitte
    mit dem Toten alleine lassen?«
    Dominikus wirkte enttäuscht, doch er nickte, gab seinem Mitbruder ein
    Zeichen und zog sich zurück.
    Als Ben die Tür zugehen hörte, wandte er sich dem toten Körper wieder
    zu. Beim zweiten Hinschauen wirkte der Tote nicht mehr ganz so
    friedlich wie beim ersten Mal. Vorsichtig und indem er all seine
    persönlichen Emotionen und Gedanken unter Kontrolle hielt, begann er
    mit der Untersuchung.
    Der Hinterkopf war beim Aufprall zertrümmert worden, aber das
    wettergegerbte Gesicht war, von zwei Platzwunden abgesehen, noch
    erstaunlich intakt. Arme und Beine sahen aus wie das hölzerne
    Stückwerk einer äußerst beweglichen Marionette.
    »Sie werden am Leichnam höchstwahrscheinlich keinerlei verwertbare
    Spuren mehr finden«, hatte sein Vorgesetzter Kardinal Ciban prophezeit,
    als er Ben über das Ableben seines Mentors in Kenntnis gesetzt, ihn von
    einem anderen Fall abgezogen und beauftragt hatte, nach Rottach zu
    reisen. »Dennoch muss ich sichergehen, ob es sich bei Pater Darius’
    Ableben um einen Unfall handelt – oder um Mord.«
    Mord? Ben hatte seinen Ohren nicht getraut. Wer hätte Darius ermorden
    sollen? Und warum? Der Pater hatte ganz sicher keine Feinde gehabt, die
    ihm nach dem Leben getrachtet hätten. Und wenn doch … Irgendetwas
    stimmte hier nicht.
    »Gibt es sonst noch etwas, das mir bei meinen Ermittlungen helfen
    könnte, Eminenz?«, hatte er gefragt.
    Ciban hatte von seinem Schreibtisch aufgeblickt und weder genickt noch
    den Kopf geschüttelt. Bens Vorgesetzter war ein großer und überaus
    schlanker Mann mit eisgrauen Augen und kurzem silbergrauem Haar.
    Die klassisch geschnittenen Gesichtszüge mit der hohen Stirn und der
    scharfen Nase erinnerten Ben, selbst in Verbindung mit der
    Kardinalsrobe, weit mehr an das Bild eines antiken Feldherren als an
    jenes eines zeitgenössischen Kirchenfürsten. In jedem Wort, jeder Geste
    des Kardinals schwang stets etwas Bedrohliches mit. Ben hatte Jahre
    gebraucht, um zu lernen, mit dieser unheilvollen Ausstrahlung
    umzugehen.
    »Im Augenblick nicht. Seien Sie vorsichtig, Ben.«
    »Dann
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