Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lustig, lustig, tralalalala

Lustig, lustig, tralalalala

Titel: Lustig, lustig, tralalalala
Autoren: Mia Morgowski
Vom Netzwerk:
Laienschauspieler sein, der Schlitten nur ein Requisit.
    Wieder errät Ruprecht meine Gedanken. «Die meisten Leute, die zu uns kommen, möchten einen Beweis dafür haben, dass wir wirklich jene sind, für die wir uns ausgeben. Aber es gibt keinen Beweis. Der Schlitten fliegt nicht ohne Rentiere. Keiner von uns kann zaubern, und unser Quartier am Nordpol ist längst im ewigen Eis versunken.»
    Ich überlege. «Wie war es denn überhaupt möglich, die Rentiere zu verkaufen?», frage ich argwöhnisch. «Es muss sich ja um fliegende Rentiere gehandelt haben. Die hätten doch sicher für Aufsehen gesorgt, oder?»
    Ich sehe Ruprecht in die Augen und versuche herauszufinden, ob meine Frage ihn aus dem Konzept gebracht hat. Vielleicht gelingt es mir durch glasklare Logik, sein Lügengebilde zum Einsturz zu bringen.
    Ruprecht lächelt nachsichtig. «Der Schlitten wird von normalen Rentieren gezogen. Damit sie fliegen können, streutman ihnen Feenstaub aufs Geweih. Wenn die Wirkung nachlässt, sind es wieder normale Rentiere.»
    Er macht keineswegs einen nervösen Eindruck. Im Gegenteil. Er steht ruhig da und scheint auf meine nächste Frage zu warten. Offenbar ist Ruprecht es gewohnt, Zweiflern wie mir Rede und Antwort zu stehen.
    «Okay», sage ich. «Wie hat der Weihnachtsmann sich denn bislang finanziert? Meines Wissens macht er den Job gratis.»
    Ruprecht nickt. «Früher haben wir oft große Vermögen geerbt. Leute, denen als Kinder Wünsche vom Weihnachtsmann erfüllt wurden, haben sich als Erwachsene daran erinnert und ihre Dankbarkeit bewiesen, indem sie uns großzügige Spenden zukommen ließen.»
    «Und wieso hat sich das geändert?»
    «Logistische Probleme», erwidert Ruprecht. «Wir waren praktisch der erste Weltkonzern. In einem so großen Unternehmen gibt es natürlich Reibungsverluste. Außerdem haben wir diesen wahnsinnig engen Lieferzeitraum. Da blieb es nicht aus, dass Fehler passierten. Mit der Zeit wollte sich niemand mehr auf unsere Dienstleistung verlassen. Die Eltern fingen also an, die Geschenke selbst zu kaufen und eigenhändig unter den Weihnachtsbaum zu legen. Für uns war das der Anfang vom Ende.»
    «Und wie finanziert ihr euch heute?»
    Ruprecht seufzt. «Wir bekommen Hartz   IV. Und wir haben Nebenjobs. Ich, zum Beispiel, nehme manchmal an Boxturnieren teil. Und Santa Claus arbeitet als Weihnachtsmann. In Kaufhäusern und auf Märkten.»
    «Warum arbeitet er überhaupt noch?», frage ich. «Ich meine, in seinem ursprünglichen Job? Offenbar läuft Weihnachten doch ganz gut ohne den Weihnachtsmann. Wozu also der Aufwand?»
    Ruprecht nickt. «Das hab ich ihm auch schon gesagt. Aber Santa Claus ist der Ansicht, dass wir wieder zu alter Größe zurückfinden können, wenn es uns gelingt, unsere Corporate Identity nach vorne zu bringen. Früher nannte man das mal den Geist der Weihnacht. Deshalb versuchen wir jedes Jahr, einige Weihnachtswunder zu initiieren in der Hoffnung, dass die Leute irgendwann wieder an den Weihnachtsmann glauben.»
    Ich mustere Ruprecht skeptisch.
    «Ich weiß», sagt er. «Ein ziemlich hoffnungsloses Unterfangen. Das predige ich schon seit über hundert Jahren, aber es gelingt mir einfach nicht, Santa Claus davon abzubringen. Er ist in dieser Hinsicht ziemlich stur.» Ruprecht lächelt. «In jedem Haus, das wir beziehen, steht der Schlitten im Dachgeschoss. Claus gibt die Hoffnung nicht auf, dass er eines Tages wieder anspannen und in den Nachthimmel hinausfahren kann.»
    Ich kapituliere. Mit Logik ist diesem ausgebufften Kinderschreck nicht beizukommen, so viel ist sicher. «Okay. Und warum bin ich hier?»
    Ruprecht lächelt gemütlich. «Wir gehen jetzt runter, und ich erkläre dir alles. Vorher lassen wir uns von unserem entzückenden Engelchen einen schönen Weihnachtspunsch zubereiten.»
    «Unserem Engelchen?», wiederhole ich tonlos.
    «Genau, unserem Weihnachtsengelchen», freut sich Ruprecht.
    «Kann wenigstens das Engelchen fliegen?», frage ich, rechne aber nicht damit, dass Ruprecht die Frage bejahen wird.
    Er wiegt nachdenklich den Kopf hin und her. «Im Moment eher nicht», antwortet er erwartungsgemäß. «Wenn es drauf ankäme, dann vielleicht.»
    Das Weihnachtsengelchen entpuppt sich als eine pausbäckige, freundliche Dame mittleren Alters. Ich schätze, sie wiegt so umdie dreihundertfünfzig Pfund. Das erklärt, warum ihre Flugfähigkeit aktuell etwas eingeschränkt ist. Sie heißt Eloa, aber Ruprecht nennt sie liebevoll Elli.
    Die beiden sind ein Paar,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher