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Lustig, lustig, tralalalala

Lustig, lustig, tralalalala

Titel: Lustig, lustig, tralalalala
Autoren: Mia Morgowski
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bekommen.»
    Ich seufze leise. «Mutter, ich bin ein Einzelkind. Ich hab keine Schwester.»
    Schweigen.
    «Dann hat der Weihnachtsmann es dir gebracht. Wahrscheinlich, weil du ihm diesen Brief geschrieben hast.»
    Ich horche auf. «Welchen Brief hab ich ihm geschrieben? Und wann?»
    Schweigen. Sie scheint zu überlegen.
    «Mutter?», frage ich nach einer Weile.
    «Ich muss jetzt Schluss machen, Junge. Dein Vater kommt gleich nach Hause, und ich hab das Essen noch nicht auf dem Tisch.»
    «Vater ist   …», beginne ich und höre an einem Knacken in der Leitung, dass sie aufgelegt hat.
    «…   seit über zwanzig Jahren tot», vollende ich den Satz, obwohl sie mich längst nicht mehr hört.
    Habe ich diesen Brief nun geschrieben oder nicht? Habe ich damals im Wohnzimmer übernachtet, um den Weihnachtsmann zu treffen? Und ist er mir dort tatsächlich begegnet? Ich kann mich nicht erinnern. Die Sache liegt lange zurück, und ich war in einem Alter, in dem Traum und Realität manchmal nur schwer zu unterscheiden sind.
    Ich schlafe schlecht in dieser Nacht und erwache früh.
    Während meine italienische Kaffeekanne sich fauchend und zischend mit der Zubereitung eines Espresso abmüht, fällt mein Blick auf die Visitenkarte von Claus. Gestern Nacht habe ich sie auf die Spüle gelegt, zusammen mit
Moby Dick
. Gerade stelle ich mir die Frage, wie es wohl wäre, wenn ich diesem seltsamen Kerl wirklich einen Besuch abstattete. Gefährlich schiener nicht zu sein. Wahrscheinlich ist er ein zwar verwirrter, aber harmloser Mann, der im Leben viel Pech gehabt hat. Schlimmstenfalls müsste ich wohl damit rechnen, mir einen Vormittag lang bizarre Geschichten anzuhören.
    Darauf habe ich keine große Lust, denke ich und gieße mir Kaffee ein. Ich blättere die erste Seite des Buches auf und betrachte erneut die Widmung. Nebenbei fällt mein Blick auf die Visitenkarte. Ich zucke leicht zusammen und stelle die Tasse ab. Ich lege die Visitenkarte neben die Seite mit der Widmung und sehe, dass die Namensschriftzüge identisch sind. Ungläubig blicke ich abwechselnd auf die Karte und das Buch. Dann stecke ich beides ein und mache mich auf den Weg.
    Die Adresse gehört zu einem scheinbar unbewohnten Haus in einer Abbruchsiedlung. Ich will schon wieder den Heimweg antreten, als ich am Klingelbrett einen winzigen Zettel bemerke: «Santa Claus – oberste Etage». Ich muss lächeln. Claus ist ganz gut organisiert, wenn man bedenkt, dass er offenbar verrückt ist.
    Das Haus ist zwar renovierungsbedürftig, aber innen in einem nicht so desaströsen Zustand, wie man es von außen vermuten könnte. Auf halbem Weg in die oberste Etage kommt Claus mir entgegen. Im ersten Moment erkenne ich ihn nicht. Er trägt einen grauen Anzug mit Hemd und Krawatte, außerdem ist er heute rasiert. Erst auf den zweiten Blick fällt mir auf, dass der Weihnachtsmann noch genauso müde aussieht wie am Vorabend.
    «Keine Zeit. Ich hab ein wichtiges Gespräch mit dem Vermieter.» Claus eilt an mir vorbei. «Ich hab Ruprecht Bescheid gesagt. Er ist oben. Frag nach ihm. Er erklärt dir alles.» Und schon ist Claus eine halbe Etage tiefer.
    «Etwa   … Knecht Ruprecht?», rufe ich durchs Treppenhaus.
    Claus hält inne. «Ja, aber nenn ihn lieber nicht so. Er mag es überhaupt nicht, wenn man ihn ‹Knecht› nennt. Sag einfach Ruprecht.» Claus nickt aufmunternd. «Du machst das schon. Ich muss weiter.»
    Eine der Türen in der obersten Etage ist nur angelehnt. Dahinter sind Stimmen zu hören. Ich klopfe. Niemand reagiert, also öffne ich vorsichtig die Tür, um mich bemerkbar zu machen.
    Der Raum ist vollgestopft mit allerlei Krimskrams und sieht aus wie das miserabel organisierte Lager eines verwahrlosten Schrottplatzes. Was mich viel mehr irritiert, ist der Anblick eines Tisches, an dem ein Kartenspiel stattfindet. Die Spieler sind in Zigarren- und Zigarettenrauch gehüllt, eine Flasche Schnaps macht die Runde. Im ersten Moment glaube ich, fünf Kinder im Alter von vielleicht sieben oder acht Jahren vor mir zu haben. Dann wird mir klar, dass es sich bei den Zockern um kleinwüchsige Erwachsene handelt. Einer der Herren bemerkt mich.
    «Lust auf eine Runde Poker?», fragt er, nimmt einen Schluck Schnaps und fährt sich mit der Hand über seine Bartstoppeln.
    «Nein   … ähm   … ich   … suche Ruprecht», stammele ich, weil ich immer noch verdattert bin. Der Kerl grinst und nickt dabei vielsagend.
    «Ruprecht!», ruft er in einer Lautstärke, die ich ihm
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