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Lustakkorde - Ostfrieslandkrimi (German Edition)

Lustakkorde - Ostfrieslandkrimi (German Edition)

Titel: Lustakkorde - Ostfrieslandkrimi (German Edition)
Autoren: Elke Bergsma
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Sohn gepresst, „ich kann es einfach nicht.“
    „Also, wer war es diesmal?“
Katharina hatte nicht vor, ihren Sohn zu schonen. Sie würde ihm den Stachel
immer weiter ins Fleisch bohren, und zwar so tief und so lange, bis er endlich
begriffen hatte, dass ein Leben ohne diesen Raffael Winter für ihn mehr Vor-
als Nachteile hatte.
    „Sybille.“
    „Sybille wer?“
    „Sybille Ravensburger.“
    „Sybille Ravensburger?“, rief
Katharina mit großen Augen. „ Die Sybille Ravensburger?“ Sie stieß ein
heiseres Lachen hervor. „Du lässt es dir gefallen, dass dein Freund es mit
dieser ... also, wirklich, Jonathan, dein Verstand scheint sich wirklich
komplett verabschiedet zu haben. Zumindest aus deinem Kopf.“
    „Mutter!“
    „Mutter!“, äffte Katharina ihren
Sohn nach. „Jonathan, diese Sybille ist so ziemlich das unattraktivste
Frauenbild, das man sich nur vorstellen kann. Sie hat eine ... nein, falsch,
sie hat gar keine Figur, strähnige, fettige Haare, einen Überbiss ...“
    „ ... und ist zehn Jahre älter
als Raffael. Ja, ich weiß das alles, Mama“, unterbrach Jonathan sie gequält.
    „Dein Freund ist ein Sexomaniac“,
stellte Katharina mit einem mitleidigen Blick auf ihren noch immer
schluchzenden Sohn fest. „Er ist krank. Man, ich hab ja schon vieles erlebt,
aber einen, der wirklich alles vögelt, was irgendwo eine Körperöffnung hat ...
nee, das ist selbst mir noch nicht untergekommen.“ Katharina schüttelte
verständnislos den Kopf.
    „Bestimmt ist das nur eine Phase.
Er ist noch jung und muss sich ...“
    „Papperlapapp“, fuhr ihm seine
Mutter unwirsch in die Parade, „er ist Ende zwanzig. Gut, das sind rund 15
Jahre weniger, als du auf dem Buckel hast. Aber ich glaube nicht, dass du dich
in dem Alter so aufgeführt hast wie der. Oder?“
    „Nein“, rief Jonathan empört,
„natürlich nicht!“
    „Wäre ja auch noch schöner
gewesen, schließlich bist du ja ein ... Pfaffe.“ Das letzte Wort troff vor
Verachtung, Katharina hatte es förmlich ausgespuckt. „Und hoffentlich keiner
von denen, wie ich sie in allen unheiligen Stellungen dieser Welt erleben
durfte.“
    „Ach, Mama“, seufzte Jonathan und
fuhr sich fahrig durch sein volles Haar, „ich hatte geglaubt, dass du mir
vielleicht ein klein wenig zur Seite stehen würdest in meinem Kummer.“ Er erhob
sich aus seinem Stuhl. Dann wandte er sich, nach einem letzten Blick auf seine
Mutter, mit einem Schulterzucken der Haustür zu und ging wortlos hinaus.
    „Ich werde dir zur Seite stehen“,
sagte Katharina an ihr Whiskeyglas gewandt, „ganz bestimmt werde ich das, mein
Junge. Aber ganz bestimmt nicht so, wie du es dir vermutlich vorstellst.“

3
    Nun aber schnell. In gespannter
Erwartung hatte Magdalena an diesem Tag ihrem Musikunterricht
entgegengefiebert. Würde es ihr gelingen, die kleine, etwa dreißig Zentimeter
große Skulptur wieder an ihren Platz auf dem Kaminsims zurückzustellen, bevor ihr
Klavierlehrer den Verlust bemerkte? Schon den ganzen Vormittag hindurch hatte
sie immer wieder in ihre Tasche gegriffen, um zu schauen, ob Danaide noch da
war. Zu unwirklich erschien ihr nach wie vor, dass sie sie einfach eingesteckt
hatte. Viel mehr aber noch, dass sie in ihr bis zu diesem Zeitpunkt nie
gekannte Gefühlsregungen hervorgerufen hatte. Dieses wohlige Kribbeln, diese
sinnliche Erregung waren ihr bisher völlig fremd gewesen. Von freudiger
Erwartung war sie immer nur befallen worden, wenn sie ihre Bibel zur Hand genommen,
wenn sie dem Wort Gottes gelauscht oder, den Kopf an die breite Schulter ihres
Vaters gelehnt, versunken der Musik gottesfürchtiger Komponisten gelauscht
hatte.
    „Danaide“, flüsterte sie ergriffen,
während sie mit ihren Fingern über den geschmeidigen Marmor fuhr, „was machst
du mit mir?“ Sie warf einen Blick auf den Kaminsims. Nichts deutete darauf hin,
dass sich irgendetwas verändert hatte. Die Lücke, die die Skulptur hinterlassen
hatte, war gar nicht mal so groß. Sie war nur eine unter vielen Dingen, die auf
diesem Sims ihrem Platz gefunden hatten. Nein, eigentlich war es geradezu
unmöglich, den Verlust der Danaide zu bemerken, wenn man nicht ganz bewusst
nach ihr Ausschau hielt.
    Magdalena hatte Glück. Raffael
Winter war noch nicht da gewesen, als sie bei ihm angekommen war. Sie hatte
sich extra beeilt, um etwas früher im Unterrichtsraum zu sein. Sie war sich
sicher gewesen, dass ihr irgendwer aus dem Mehrfamilienhaus in der Emder
Faldernstraße die Eingangstür öffnen
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