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Luna, Seelengefährtin - mein Hund, das Leben und der Sinn des Seins

Luna, Seelengefährtin - mein Hund, das Leben und der Sinn des Seins

Titel: Luna, Seelengefährtin - mein Hund, das Leben und der Sinn des Seins
Autoren: Michaela Seul
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ich würde den Hund, der sich als Irrtum erweisen würde, ins Tierheim geben und bis an mein Lebensende an einem schlechten Gewissen leiden. Unter Umständen würde ich wegen dieser Dummheit nicht in den Himmel kommen. Davor wollte sie mich bewahren. Ich stemmte meine Fantasien dagegen und erzählte ihr von der frischen Luft, den langen Gassis, und abends würde ich zusammen mit dem Hund ein gutes Buch lesen. Gerade der Hund schenke mir die Ruhe dazu, hin und wieder würde ich ihm einen Satz vorlesen, einen jener Sätze, die öfter gelesen gehören, weil sie sich erst in ihrer vollendeten Stilblüte entfalten können, wenn es einen Zuhörer gibt. Diese Botanik machte sie sprachlos, nicht aber mildelos: Hauptsache, ich würde ihr später nicht vorwerfen, sie hätte es unterlassen, mich zu warnen.
    Ich hatte mir zwei Wochen im Februar freigehalten, um den Neuzugang einzugewöhnen, der im Dezember zur Welt hätte kommen sollen. Weil Lilly in Italien ihren Nachwuchs nicht austragen konnte, rief ich bei einer Reihe von Tierheimen an und erfuhr, dass es zurzeit keine Welpen gab. Ein Welpe musste es aber sein, denn ich hatte Angst vor großen Hunden. Nicht dramatisch, aber ein bisschen schon. In der Pubertät bin ich von einem Windhund angegriffen worden. Ohne ersichtlichen Grund raste er wild bellend auf mich zu und biss mir in den Oberschenkel. Meine Liebe zu Lassie konnte diesen Schock nicht heilen. Wenn mir in Zukunft beim Joggen ein freilaufender Hund begegnete, wurde mir heiß. Ich blieb stehen, weckte damit die Neugier des Hundes, der mich anteilnehmend beschnupperte. Hallo, was ist mit dir los? Wieso bleibst’n du stehen, is was? Hallo, willst du mir zufällig ein Leckerli geben? Hast du Lust, mir mal ’nen Stock zu werfen, das wär echt supi! Hallo, wer bist du denn? Ich bin die Luna Nummer siebentausendzweihundertzwölf in diesem Revier.
    Ich verkrampfte innerlich und äußerlich. Gleich würde der Hund mich in Stücke reißen. Ich hasste die Herrchen und Frauchen, die riefen: »Der tut nichts!« Oder, was noch schlimmer war: »Der will nur spielen!«
    Ich hatte in der Prä-Luna-Zeit keine Ahnung, dass ich den Kontinent von der Frau zum Frauli wechseln würde, dass ich die Hundesprache lernen und erkennen würde, woran ich es sehen konnte – ob der mit mir spielen oder mich zerfleischen wollte –, ja, dass es auf einmal nur noch zwei Geschlechter geben würde: Herrchen und Frauchen. Als Frauli sollte ich bald schon Frauen und Männern begegnen, die sich so benahmen, wie ich mich benommen hatte. Frauen und Männer schrumpfen mit Hunden und Kindern auf ein »i« am Ende. Vielleicht sind Herrli und Frauli, Herrchen und Frauchen aber auch nur eine Verlegenheitslösung. Manchmal sagt ein Herrli zum Hund: Geh zu deiner Mama. Und meint damit nicht die Hundemama, sondern seine Frau.

Schnauze im Schritt
    E in Hüne im Fahrstuhl, wahrscheinlich Star in seinem Fitnessstudio, die Muskelpakete sprengen schier seine braune UPS -Uniform. Ein dünnes »Ups« entfährt ihm, als Luna und ich überraschend im ersten Stock einsteigen. Er versucht sich an die Wand zu drücken, was aussichtslos ist, da er und sein Paket eine Fahrstuhlseite fast komplett belegen. Sofort, dienst beflissen geradezu, wendet er sich an den Hund. »Na du. Was bist du denn für ein Kerlchen?« Seine Stimme passt nicht zu den Muskelsträngen, baumelt nur noch an einer faserigen Sehne und klingt atemlos. Er redet mit Luna, um sie sich gut gesinnt zu machen, damit sie ihn nicht zerfleischt. So wie ich schneeballwerfenden Jungs etwas Nettes zurufe, damit sie mich nicht beschießen. So wie auch ich früher bei Begegnungen mit Hunden, denen ich nicht ausweichen konnte, an ihr Gewissen appellierte. Ich bin lieb zu dir, ich tu dir nichts, du tust mir auch nichts, okay? Um die unbedingte Gültigkeit dieser Vereinbarung zu unterstreichen, behandelte ich die Vierbeiner wie vernunftbegabte Wesen, die hoffentlich in der Lage wären, meine vielen Suggestivfragen, die ich ihnen besänftigend ums Maul schmierte, wohlgesinnt zu bestätigen: »Du bist ein ganz ein Lieber, gell. Du willst ja nur mal schnuppern. Nein, ich hab leider nichts zu fressen für dich. Du bist aber ein ganz ein Braver, gell.«
    Allein meine Tonlage, die mir selbst unangenehm auffiel, diese gewisse Atemlosigkeit und das hörbare Herzklopfen in der Stimme straften meine Besänftigungsversuche Lügen. Natürlich gab es was zu fressen. Mich nämlich. Und natürlich verstanden die meisten Hundebesitzer
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