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Lukkas Erbe

Lukkas Erbe

Titel: Lukkas Erbe
Autoren: Petra Hammesfahr
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niemand mehr.»
    Er folgte seiner Mutter mit gesenktem Kopf den Weg zurück, den wir gekommen waren. Ich schloss mich an und holte mein Auto, mit ins Haus ging ich nicht mehr.
    Eine knappe Stunde später traf die Spurensicherung ein, kurz darauf auch ein Gerichtsmediziner.
    In achtzig Zentimeter Tiefe stießen wir auf einen blauen Plastiksack, der wie eine Decke im Boden ausgebreitet war, darunter lag die Amerikanerin – auf zwei weiteren Säcken. Die Verwesung war weit fortgeschritten, viel Menschliches nicht mehr zu erkennen, eine Identifizierung auf Anhieb nur an den Haaren möglich. Marlene Jensen, hellblond und langhaarig, war ebenfalls zwischen Müllsäcke gebettet. Unter ihr lag eine dritte Leiche. Svenja Krahl, die siebzehnjährige Schülerin aus Lohberg, von der wir angenommen hatten, sie sei in die Drogenszene abgetaucht. Es war ein Schock für mich, diesen Irrtum zu erkennen.
    Die Grube musste mehrfach ausgehoben, vertieft und wieder aufgefüllt worden sein. Der Gerichtsmediziner wunderte sich über die ausgebreiteten Müllsäcke und die Ordnung. «So etwas habe ich noch nie gesehen», sagte er. «Alles hübsch beisammen. Das sieht fast aus, als hätteder Täter ihnen zuletzt noch so etwas wie Ehrfurcht erweisen wollen. Aber dass er sie alle in ein Loch steckt, überlegen Sie mal, welch eine mühselige Plackerei das war. Er musste sie von unten doch immer wieder hochholen, um tiefer zu graben. Was hat er sich dabei gedacht?»
    Ich wusste zu diesem Zeitpunkt noch nicht, was Ben gedacht hatte. Ich wusste nicht, dass Svenja Krahl, nachdem sie beim Bendchen aus dem Wagen geworfen worden war, noch eine Begegnung am Waldrand gehabt hatte und vergewaltigt worden war.
    Es gab keine Zweifel an Lukkas alleiniger Täterschaft, soweit es die Morde betraf. Da vermuteten wir sogar, dass es mehr Opfer waren als die uns bekannten, das möchte ich ausdrücklich betonen. Die Obduktionsbefunde bestätigten, dass alle in ähnlicher Weise zu Tode gebracht worden waren. Die Einzelheiten möchte ich mir ersparen. Für den Staatsanwalt und mich war der Fall damit abgeschlossen. Heinz Lukka war tot, wir konnten ihn nicht mehr befragen, niemand konnte ihn zur Verantwortung ziehen. Und er konnte keinen Schaden mehr anrichten. So sah ich es, und das war mein größter Irrtum in dem Fall.

17.   Juli 1997
    Seit einer halben Stunde beobachtete der Mann das Paar im Bendchen. So wurde das Waldstück genannt, das die offenen Felder nach Osten begrenzte. Es lag nicht weit entfernt vom Schlösser-Hof, einem der vier großen Bauernhöfe, die sich wie Wachposten in alle Himmelsrichtungen um das Dorf verteilten.
    Auf der Karte von Lohberg und Umgebung sah es idyllisch aus, der kleine rote Fleck mit den vier Punkten undall dem Grün drum herum. Viel freies Land, Felder, Wiesen und der Wald, der seit eh und je ein beliebter Treffpunkt für Liebespaare war. Hier hatte der Mann schon so manche Nacht verbracht, verborgen hinter einem Baumstamm gestanden oder im Unterholz gelegen.
    Das Paar in dieser Nacht war mit dem Auto gekommen, das taten sie fast alle. Viele blieben im Wagen, vergnügten sich auf der Rückbank. Dann war es schwierig für ihn, er musste nahe heran, und es bestand die Gefahr, dass sie ihn sahen. Die beiden waren ausgestiegen, einige Meter in den Wald hineingegangen und dabei so dicht an ihn herangekommen, dass er nur eine Hand hätte ausstrecken müssen, um die Frau zu berühren.
    Es war eine laue Nacht. Sie hatten eine Decke aus dem Kofferraum genommen und sich darauf gelegt. Jetzt lagen sie da, küssten sich, zogen sich gegenseitig aus. Das lustvolle Stöhnen der Frau klang ihm so laut in den Ohren – wie ein Befehl. Den Knüppel neben seinem linken Bein fühlte er schon seit einer Weile. Es war ein abgestorbener Ast von einem der umstehenden Bäume. Zweimal hatte er bereits die Hand darum geschlossen und wieder losgelassen.
    Ihm zogen Bilder durch den Kopf von einer Nacht im Juli vor zwei Jahren, als er das zum ersten Mal getan hatte, obwohl er genau wusste, dass es üble Konsequenzen für ihn haben konnte.
    Im Juli 95 waren es zwei Männer gewesen und ein hübsches, blondes Mädchen. Sie waren in Streit geraten, das Mädchen wollte nicht beide Männer an sich heranlassen. Die Männer fuhren ab und ließen das Mädchen zurück. Halb nackt stand sie am Waldrand, schimpfte und fluchte hinter dem davonfahrenden Wagen her, suchte in der Dunkelheit ihre Sachen zusammen, fand die Handtasche nicht.
    Er trat ihr freundlich
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