Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lügen & Liebhaber

Lügen & Liebhaber

Titel: Lügen & Liebhaber
Autoren: Susanne Fülscher
Vom Netzwerk:
»Ist leichtverdientes Geld. Eine kleine Kostprobe?«
    »Nein danke.« Ich schneuzte mich, obwohl es gar nichts auszuschneuzen gab. »Wie kann man so was überhaupt tun?«
    »Alles eine Frage der Übung.«
    Karl besah sich seine Finger, die fleischig wie bei einem Baby waren.
    »Trotzdem. Würde mir sehr schwerfallen.«
    »Ach …« Karl machte eine nervöse Bewegung mit der Hand.
    »Das einzig wirklich Schwierige ist das exakte Stöhnen auf die Lippenbewegungen. Alles andere …«
    Erst in diesem Moment ging mir auf, daß es Karls Job ja mit sich brachte, den lieben langen Tag Pornos zu gucken.
    »Konsumierst du solche Filme auch privat?« fragte ich.
    »Selten. Um genau zu sein, bin ich eigentlich ein Nichtgucker.«
    Was auch immer das heißen mochte.
    Als ich später Karls Bett beziehungsweise Matratze klar machte, war Karl plötzlich hinter mir und guckte mir über die Schulter.
    »Ich könnte jetzt mit dir schlafen«, sagte er vollkommen nüchtern, »aber es gibt da ein Problem.«
    »Ach ja. Und was für eins?«
    »Wenn ich mit einer Frau schlafe, verliebe ich mich in sie oder – und das ist weitaus schlimmer – ich bin schon in sie verliebt.«
    »Und wie liegen die Dinge bei dir?«
    Karl öffnete seine Lippen einen Spalt, und sogleich entschlüpfte ihm ein kleiner, verlegener Lacher.
    »Na, dann gute Nacht.« Ich schob Karl zu seiner Matratze, ging nach nebenan und war innerhalb kürzester Zeit eingeschlafen. Mitten in der Nacht wachte ich davon auf, daß jemand in mein Zimmer kam.
    Es war verdammt noch mal Karl.
    »Was willst du?« fragte ich schlaftrunken und mit kratziger Stimme.
    Karl antwortete nicht, und dann sah ich mir dabei zu, wie ich die Hand nach ihm ausstreckte. Ganz plötzlich war mir in den Sinn gekommen, wie weh Adriano mir immer wieder tat.
    Karl war der erste dickliche und zudem reichlich behaarte Mann, mit dem ich Sex hatte, und entgegen meiner Erwartung fühlte er sich nicht mal übel an. In seiner Weichheit fest, und es gab keine Knochen, an denen man sich stoßen konnte. Außerdem war Karl ein überraschend guter Liebhaber, nur daß er mich mucksmäuschenstill geliebt hatte, irritierte mich im nach-hinein.
    Ich schlief mit diesem völlig fremden Mann Arm in Arm wie ein altes Ehepaar ein, aber am Morgen beim Aufwachen fühlte ich mich durch und durch mies. Was hatte ich da bloß getan?
    »Stöhnst du privat nie?« fragte ich Karl, um das Geschehene vor mir selbst ins Lächerliche zu ziehen.
    »Arbeitest du deine Uniunterlagen vielleicht im Bett durch?« gab Karl zurück. Offenbar fiel ihm zu dieser frühen Stunde gar nicht auf, daß der Vergleich gewaltig hinkte.
    Damit stieg er aus dem Bett und lief trotz weißer Fettwülste oberhalb der Hüftknochen völlig ungeniert und behende aus dem Zimmer. Kurz darauf machte die Dusche ihre vertrauten Knackgeräusche. Im Grunde war Karl auch gar nicht richtig dick, und weil ich ihn auch noch nach dieser Nacht liebenswertfand, bekam er ein leckeres Restefrühstück. Kaffee ohne Milch, angetrocknetes Graubrot, Dazu gab es immerhin ein Ei, frischgepreßten Orangensaft und ein Stück Gouda, von dem ich zunächst eine weißlich fluoreszierende Schimmelschicht entfernen mußte.
    Karl wußte es mir zu danken. Er versah sein Ei mit winzigen Butterflocken, die er mit einem Hauch von Salz bestreute, griff dann nach einer zweiten Scheibe Brot, und als er alles in ordnungsgemäßer Reihenfolge verzehrt hatte, fragte er mich, indem er sich Schlaf aus den Augen klaubte, ob wir denn jetzt miteinander gehen würden.
    »Ja, zum Bahnhof.« Ich lachte gekünstelt auf,
    »Aber es ist so, wie ich es dir gestern gesagt habe.«
    »Was?« fragte ich. Aus lauter Verlegenheit nahm ich mir jetzt ebenfalls eine der Graubrotscheiben. Karl wollte doch nicht etwa nach dieser einen Nacht auf große Liebe machen. Ich mochte ihn, fand ihn von mir aus sympathisch und irgendwie auch schrullig, aber das war’s auch schon. Von Verliebtheit keine Spur. Außerdem war da ein reichlich großkotziger bis unverschämter Adriano, an dem ich mich gerade ein bißchen gerächt hatte. Doch das brauchte außer mir ja keiner zu wissen.
    Vermutlich hatte Karl auch so begriffen. Er kratzte sich nämlich ausführlich die linke Augenbraue, ging dann zur rechten über, landete mit dem Zeigefinger kurz im Haaransatz, fuhr runter zum Mund und machte ein Gesicht, das heiter erscheinen sollte, aber nur tieftraurig wirkte.
    Tat mir ja leid für Karl, aber ich verliebte mich nun mal nicht innerhalb von
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher