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Lügen & Liebhaber

Lügen & Liebhaber

Titel: Lügen & Liebhaber
Autoren: Susanne Fülscher
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angehimmelt, ein Seminar nach dem anderen bei ihm belegt, ohne auch nur im entferntesten zu glauben, er könne an mir, der kleinen Studentin, Interesse haben. Adriano umschwebte eine Aura des Geheimnisvollen, man munkelte, er habe einen ziemlichen Frauenverschleiß, und dann, kurz vor Studienabschluß, plötzlich das …
    Natürlich wollte ich mein Glück jetzt auch behalten, und da Adriano sowieso nie zu Hause zu erreichen war, beschloß ich, ihn demnächst in seinem Dozentenzimmer aufzusuchen.
    Doch Klaus Arndt alias Adriano war noch das geringere Problem. Viel mehr litt ich darunter, daß ich überhaupt keine Ahnung hatte, was ich nun mit meinem Leben anstellen sollte. Natürlich fühlte ich mich zu Höherem berufen, keine Frage, aber wie sollte dieses Höhere aussehen? Promovieren und mit dreiunddreißig als Spezialistin der Gottfriedschen Minnegrotte ins Leben treten? Oder das Übliche anpeilen, Zeitung, Volkshochschule, Kulturinstitut, Werbung … Ich hatte keinen blassen Schimmer. Die meisten Berufe bedeuteten mir nicht mehr als aneinandergereihte Buchstaben, von denen zudem etwas schrecklich Bedrohliches ausging. Geld verdienen um jeden Preis – nein danke.
    Erst trank ich einen frisch gepreßten Orangensaft, dann ein Glas Rotwein, schließlich einen Kaffee, der genauso säuerlich wie in der Opernkantine schmeckte und mich darauf brachte, daß ich nach nunmehr sieben Jahren Statistenkarriere nicht mehr sonderlich erpicht drauf war, als putzige Dirne den Chorsängern den Kopf zu verdrehen oder zum Neutrum verunstaltetund mit Haferflockenbrei im Haar über die Bühne zu kriechen. Aber da die Oper zur Zeit meine einzige Einnahmequelle war – mein Großverdiener-Professoren-Dad hatte seinen monatlichen Zuschuß eingestellt – und ich darüber hinaus mein letztes Gespartes gerade für zwei sündhaft teure Hotelnächte ausgab, würde mir wohl nichts anderes übrigbleiben, als mich weiterhin in Korsetts zu zwängen, mir Glatzen kleben zu lassen und – wenn es die Rolle erforderte – auf der Bühne zu kopulieren.
    Am frühen Abend, als die Sonne immer noch die Plaza Mayor erleuchtete, brach ich auf und spazierte auf einem kleinen Umweg ins Hotel, um mich endlos lange unter die Dusche zu stellen. Kaum hatte ich einen Rest Zitruskörpermilch auf Oberkörper und Beinen verteilt und, damit die Cremereste nicht meine Ausgehkleidung besudelten, mein Nacht-T-Shirt übergezogen, klopfte es an die Tür, und ein mißmutig dreinschauender Page überreichte mir ein Fax, auf dem das Wort »Urgent« stand. Ich bedankte mich bei dem muffeligen Kerl und drückte ihm zur Strafe ein Zweipfennigstück in die Hand. Neugierig faltete ich das Fax auseinander.
    »Chou-Chou. Wieso bist Du so Hals über Kopf weggefahren? Wir sollten feiern! Tragisch, das mit Weickel. Schampus steht trotzdem kalt. Erwarte Dich. Dein A.«
    Woher wußte mein A. überhaupt, in welchem Hotel ich steckte? Mehrfach hatte ich ihn gefragt, ob er nicht nach meinem Examen mit mir nach Madrid fahren wolle, aber immer hatte er abgelehnt. Zuviel Arbeit. Außerdem verreise er nicht gern mit seiner Freundin, denn – so sein Credo – das sei meistens der Anfang vom Ende.
    Ohne einen weiteren Blick auf das Fax zu werfen, zerknüllte ich es und warf es in den Abfalleimer zu einem benutzten Tampon und der Duschhaubenverpackung. Dort war es bestens aufgehoben.
    In dem Bewußtsein, mit einem ziemlichen Idioten zusammenzusein, ging ich auf den Balkon und schaute runter auf die Plaza Santa Ana, wo die vielen Menschenstimmen zu einem rhythmischenGemurmel und Summen anschwollen, bevor sie in den Himmel entfleuchten; ab und zu hupte ein Auto. Die Stadt gefiel mir. Sie war quirlig und laut, ein explosives Gemisch ohne jeden provinziellen Touch.
    Auf einmal konnte ich es nicht mehr abwarten rauszukommen. Ich zog mich schnell an, band mir die Haare im Nacken zusammen und verließ mit dramatisch rot angemalten Lippen das Hotel. Obwohl die Sonne mittlerweile irgendwo zwischen den zahlreichen Barockbauten untergegangen war, umsäuselte mich die Luft hochsommerwarm.
    Im großen Stil essen zu gehen, hatte ich keine Lust. Also schlug ich mich hinter der Plaza Santa Ana links in eine Gasse, passierte ein paar Restaurants, bevor ich in eine weitere Seitenstraße bog und dort eine Tapas-Bar fand, in der eine Geburtstagsrunde lärmte. Am Nebentisch lauter junge, grellgeschminkte Frauen, von denen sich einige fischige Häppchen in den Mund schoben und mit Bier nachspülten.
    Das war genau
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