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Lügen & Liebhaber

Lügen & Liebhaber

Titel: Lügen & Liebhaber
Autoren: Susanne Fülscher
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das, was ich jetzt brauchte. Allein unter Menschen sein, ein bißchen essen und trinken, ohne daß Toni über ihre Kinderlosigkeit jammerte oder Bernd von der Hinteransicht seines neuen Schwarms berichtete.
    Im Zentrum des Lokals zwischen Geburtstagsrunde und den Frauen war noch einer der ramponierten Holztische frei. Da ich kein Spanisch verstand, erschloß sich mir die Speisekarte nicht ohne weiteres, und weil ich darüber hinaus keine Lust auf komplizierte Diskussionen mit dem Kellner hatte, bestellte ich Calamares, Patatas fritas und einen Ensalada, die drei einzigen Gerichte, die ich kannte, dazu Bier wie die Leute um mich herum.
    Zwei Stunden hielt ich mich in der Bar auf, ich aß, schaute neidisch auf die türkisfarbenen Satin-Slingpumps einer Schönheit am Nebentisch und lauschte den hart dahingelispelten Lauten der Spanier, und als ich die Rechnung verlangte, setzte sich ein Typ mit Igelfrisur an meinen Tisch. Erst stierte er mich an, ein wenig meschugge, dann wollte er mir in gestottertem Englisch eine Unterhaltung aufzwingen. Ihn interessierten meine Befindlichkeit(sehr gut), mein Name (ging ihn nichts an), mein Alter (ging ihn ebenfalls nichts an), Hotel (schon gar nicht), und da ich mich weder für seine Befindlichkeit noch für sein Alter, Domizil oder seinen Namen interessierte, marschierte ich, nachdem ich bezahlt hatte, einfach nach draußen. Leider machte der Kerl den Fehler und folgte mir. Ich fauchte ihn auf englisch an, er solle mich in Ruhe lassen, aber da er nicht hören wollte und sogar noch so weit ging, mich am Arm und schließlich an der Hüfte zu packen, drehte ich mich kurzerhand um und schleuderte ihm mit voller Wucht meinen Lederrucksack ins Gesicht, woraufhin er zu taumeln anfing. Die Leute guckten, außer sich beschimpfte mich der Typ in seiner Muttersprache, aber ich ging einfach weiter. Schnellen Schrittes und mit klackenden Absätzen.
    Erst als ich im Foyer des Hotels war, bemerkte ich, wie sehr meine Beine zitterten. Der Spanier war einen Kopf größer als ich gewesen, dazu nicht gerade von leptosomer Statur. Gut und gern hätte er über mich herfallen können. Mit einer plötzlich phobischen Angst vor kleinen, geschlossenen Räumen ließ ich den Fahrstuhl links liegen und stiefelte die vier Stockwerke zu Fuß nach oben, und auch als ich mich schon in meinem Zimmer eingeschlossen hatte, fühlte ich mich nicht wirklich sicher. Ohne im Zimmer Licht zu machen, tapste ich auf den Balkon und schielte über die Brüstung auf die Plaza Santa Ana. Die Menschen wuselten immer noch durcheinander, es war albern, was ich tat, bestimmt standen zwanzig Männer mit seiner Physiognomie auf dem Platz, ganz abgesehen davon, daß ich für ihn sowieso nicht zu sehen sein würde.
    Einigermaßen beruhigt legte ich mich ins Bett, ließ das Murmeln des Platzes auch in meinen Schlaf, doch als ich am nächsten Morgen aufwachte, merkte ich, wie sehr ich Adriano vermißte. Warum konnte ich nicht wie tausend andere Frauen auch mit meinem Geliebten diese Stadt entdecken? Wieso, zum Teufel, war es mir nicht vergönnt, eine stinknormale Beziehung zu führen?
    Das Frühstück im Hotel ließ ich ausfallen, Statt dessen aß icheine Brioche in einer Bar und trank dazu zwei café con leche. Heute stand der Prado auf dem Plan – Hieronymus Bosch und Konsorten wollte ich einen kleinen Besuch abstatten.
    Ich brauchte gerade mal fünf Minuten zu Fuß zum Museum. Da Sonntag war und alle Nationalmuseen freien Eintritt hatten, wurde ich, ohne erst lange anstehen zu müssen, mit einer Gruppe Japaner in den Bau geschoben. Eigentlich mochte ich keine Monumentalmuseen. Man hetzte von Bild zu Bild, drängelte und schubste, und irgendwann verschwammen die Bilder zu einem einzigen Brei aus Farben und Motiven. Also studierte ich erst einmal den Übersichtsplan, schob mich dann an Goya und Velázquez vorbei in den El-Greco-Saal, wo ich mich an dessen übersteigerten Rot-, Grün-, Blau- und Gelbtönen satt sah, um dann mein Endziel, Hieronymus Boschs »Der Garten der Lüste«, anzusteuern. Das Triptychon hatte als Poster in der WG eines meiner Exfreunde gehangen und war eines der bemerkenswertesten Bilder, die ich je gesehen hatte. In natura war dann alles noch viel imposanter. Ich weidete mich bald eine Stunde an dem rechten Außenflügel, der Hölle, entdeckte zum ersten Mal in dem zurückblickenden Gesicht Hieronymus Bosch selbst, und während ich noch überlegte, ob nicht möglicherweise irgendwo ein Schuhgeschäft geöffnet
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