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Lügen in Kriegszeiten

Lügen in Kriegszeiten

Titel: Lügen in Kriegszeiten
Autoren: Arthur Ponsonby
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solchen Sache in einen europäischen Krieg hineinziehen zu lassen. Einige fragten sich, was für eine Haltung unsere Regierung eingenommen hätte, wenn der Prinz von Wales unter ähnlichen Umständen ermordet worden wäre, und es herrschte eine zweifelhafte Stimmung. Der serbische Fall mußte daher aufgeputzt und das ,,arme, kleine Serbien" als eine unschuldige, kleine Nation, die der widrigen Brutalität der Österreicher ausgesetzt war, dargestellt werden.
    Der folgende Auszug aus dem Leitartikel der Times vom 15. September 1914 zeigt, wie die öffentliche Meinung bearbeitet wurde:
     
    Der Brief von Sir Valentine Chirol, den wir heute morgen veröffentlichen, ist uns eine willkommene Mahnung an die Pflicht, die wir dem tapferen Heere und Volke schulden … Wir übersehen zu leicht den großartigen Heldenmut des serbischen Volkes und die Opfer, die es gebracht hat … Und Serbien hat unsere Unterstützung im weitesten Maße verdient … Auch dürfen wir nicht vergessen, daß dieser europäische Befreiungskrieg durch den österreichisch-deutschen Überfall auf Serbien beschleunigt wurde. Die Beschuldigungen der Mittäterschaft bei dem Verbrechen von Serajewo, die als Vorwand zum Angriffe gegen Serbien geschleudert wurden, sind nicht erwiesen worden. Es ist mehr als zweifelhaft, daß sie beweisbar sind … Während also aller Grund besteht, den österreichischen Anschuldigungen keinen Glauben zu schenken, sprechen die stärksten Gründe dafür, daß dem tapferen Verbündeten, der ein Jahrhundert lang in Verteidigung des Prinzips der Unabhängigkeit der kleinen Staaten gekämpft hat, für dessen Verteidigung wir jetzt auch mit allen Hilfsmitteln ringen, wirksame Hilfe geleistet wird.
     
    In einer Rede in der Queen’s Hall sagte Lloyd George am 21. September 1914:
     
    Wenn Serben an dem Morde des Erzherzogs beteiligt waren, so müssen sie dafür bestraft werden. Das gibt auch Serbien zu. Die serbische Regierung hatte nichts damit zu tun. Nicht einmal Österreich behauptete das. Der serbische Premierminister ist einer der fähigsten und angesehensten Männer in Europa. Serbien war bereit, irgendwelche ihrer Untertanen zu bestrafen, deren Mittäterschaft bei dem Morde nachgewiesen wurde. Was konnte man mehr erwarten?
     
    Punch brachte das „heldenmütige Serbien“ im Bilde eines tapferen Serben, der sich an einem Gebirgspasse verteidigt.
    Zwischen dem 28. Juni und dem 23. Juli wurden von der serbischen Regierung weder Verhaftungen vorgenommen, noch irgendwelche Erklärungen abgegeben. Dem österreichischen Vertreter, von Storck, wurde gesagt: „Die Polizei hat sich mit der Angelegenheit nicht befaßt.“ Man hatte den Eindruck, daß gänzlich unverantwortliche Individuen, die keiner Behörde bekannt waren, die Verbrecher waren. Im Verlaufe des Krieges wurde dann die Sache aus den Augen verloren, und unser serbischer Verbündete und seine Regierung galten allgemein als eine der kleinen, schändlich behandelten Nationen, für deren Befreiung und Rechte britische Soldaten gern bereit waren, ihr Leben hinzugeben.
    Die Enthüllungen über die Mitschuld der serbischen Regierung am Verbrechen von Serajewo erschienen erst im Jahre 1924, als unter dem Titel „Nach dem Veitstage 1914“ ein Artikel von Ljuba Jowanowitsch, dem Präsidenten des serbischen Parlamentes, der im Jahre 1914 im Kabinett Paschitsch Unterrichtsminister gewesen war, verdeutlicht wurde. Es seien hier die diesbezüglichen Auszüge aus dem Artikel gegeben.
     
    Ich entsinne mich nicht mehr, ob es Ende Mai oder Anfang Juni war, als Herr Paschitsch uns eines Tages sagte, daß gewisse Personen Anstalten treffen, sich nach Serajewo zu begeben, um Franz Ferdinand, der am Veitstage (Sonntag, 28. Juni) dort erwartet wurde, zu ermorden. So viel sagte er uns, aber er handelte nur mit Stojan Protitsch, dem Innenminister, in der Sache weiter. Wie sie mir später sagten, war das Ganze von einer Gesellschaft heimlich organisierter Männer und von den Vereinigungen patriotischer Studenten von Bosnien und der Herzegowina in Belgrad vorbereitet worden. Herr Paschitsch und wir anderen sagten (und Stojan stimmte uns bei), daß er, Stojan, den Behörden an der Drinagrenze den Befehl erteilen solle, die jungen Leute, die zu diesem Zwecke Belgrad verlassen hatten, an dem Überschreiten der Grenze zu verhindern. Aber diese Grenzbeamten waren selbst Mitglieder der Organisation, und sie führten den Befehl Stojans nicht aus, sondern sagten zu ihm, wie er uns nachher mitteilte,
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