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Lügen haben rote Haare

Lügen haben rote Haare

Titel: Lügen haben rote Haare
Autoren: Anne-Marie Käfer
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Namen.«
    Alle, außer meiner Mutter, fanden Opas Witz enorm aufheiternd. Meine Eltern weigerten sich einvernehmlich, die Kinder bei ihren Namen zu nennen. Hanni war ihr Kätzchen und Nanni ihr Mäuschen.
    Kätzchen und Mäuschen gehorchen jetzt jedenfalls und lassen mich und meine Bommel in Ruhe.
    Meine Mutter steht schwungvoll auf und deutet Conny und mir an, ihr in die Küche zu folgen. »Als hätte ich es geahnt, dass meine Töchter kommen«, flüstert sie. »Ich habe heute Sauerbraten und Hefeklöße gekocht, wir müssen nur noch alles erhitzen.« Routiniert klappert sie mit Töpfen und Tellern.
    Conny reißt ein Stück kalten Kloß ab, stopft ihn in den Mund und schmatzt genüsslich. »Was bist du denn unter Omas Jacke so chic angezogen? Hast du gleich ein Rendezvous mit diesem Arzt, diesem Roger?«
    Meine Mutter greift Connys Faden sofort auf. »Warum hast du uns Roger eigentlich noch nicht vorgestellt, Karo? Wir würden ihn so gerne kennenlernen, ihr kennt euch doch schon länger.« Ein leiser Vorwurf schwingt in ihrer Stimme.
    Meine Gedanken kreisen panisch und suchen einen Halt.
    Bevor ich vor Conny zugeben werde, dass Roger mir den Laufpass gegeben hat, werde ich lieber, ohne Fallschirm, vom Eiffelturm springen. Ich reiße ebenfalls ein Stück Kloß ab, kaue ganz langsam, um Zeit zu gewinnen.
    »Roger? Arzt? Ach deeer! Mit dem habe ich doch schon vor langer Zeit Schluss gemacht.« Ich rudere mit den Händen durch die Luft. »Ständig diese Nachtdienste und überhaupt …, und so. Versteht ihr, was ich meine?«
    Meine Mutter schüttelt verständnislos mit dem Kopf.
    Conny bohrt weiter. »Du hast doch noch kürzlich von ihm geschwärmt. Toller Mann, höflich, liebevoll.«
    Ich halte ihrem Blick stand. »Nein, du irrst dich. Ich sprach nicht von diesem Arzt.«
    »Sondern?«
    Krampfhaft suche ich nach einem Namen und mir fällt spontan nur Geigers schwuler Sohn ein.
    »Paul. Paul heißt er.«
    Meine Schwester verzieht spöttisch den Mund. »Einen Verschleiß hast du, Schwesterherz! Wird Zeit, dass du bald unter die Haube kommst, deine biologische Uhr fängt an zu ticken.«
    Ich bleibe gelassen. »Ach Conny, ich bin so froh, dass ich eine tolle Figur habe. Die will ich mir durchs Kinderkriegen, in der nächsten Zeit jedenfalls, nicht versauen.« Mit einem Küchentuch tupfe ich affektiert an meinen Mundwinkeln.
    Connys Gesicht läuft rot an. Bevor sie verbal zurückschlagen kann, mischt sich meine Mutter ein.
    »Gebt Ruhe, Kinder! Hört auf euch zu necken!«
    Mit einer gewissen Dankbarkeit höre ich, wie sich Opa Heini und mein Vater ebenfalls im Wintergarten ›necken‹, denn das lenkt vom imaginären Freund Paul sowie meinem Männerverschleiß ab.
    »Du hast den Turm einfach vom Brett genommen, als ich auf der Toilette war«, schimpft Opa Heini laut. »Der war gerade noch da! Das nenne ich unehrenhaftes Spielverhalten!«
    »Habe ich nicht!«, brüllt mein Vater zurück.
    »Hast du wohl!«
    Hanni und Nanni kommen mit Unschuldsmienen, jedoch grinsend, in die Küche. Conny verdreht die Augen.
    »Ihr geht jetzt auf der Stelle zu Opa und Opapa, gebt ihnen die Schachfigur zurück und entschuldigt euch anständig.«
    Bevor sie eine Drohung aussprechen muss, sind die beiden kichernd verschwunden. Meine Mutter lacht laut. Auch aus dem Wintergarten hört man versöhnendes Gelächter.
    Der Streich der Zwillinge hat dazu geführt, dass wir während des Abendessens in Erinnerungen schwelgen und meine Eltern und Opa Heini lustige Anekdoten aus unseren Kinderjahren zum Besten geben, die Hanni und Nanni begierig aufsaugen. Trotz der kleinen Reibereien mit Conny bin ich froh, eine so tolle Familie zu haben, und drücke alle bei der Verabschiedung besonders herzlich.
    Meine Mutter begleitet mich noch bis zum Auto. Sie streicht mir liebevoll eine Haarsträhne aus dem Gesicht. »Bring deinen Paul nur bald mit, Kind. Du weißt doch, wie wir uns darüber freuen würden, wenn …«
    Ich unterbreche sie hastig, denn ich weiß, dass sie sagen will: …  du auch bald heiraten würdest.
    »Klar, Mama, mache ich. Versprochen.«

3. Der Flügelschlag eines Schmetterlings
    Auf dem Weg ins Büro stelle ich fest, dass mein rechtes Ohr leicht schmerzt. Bruni und ich telefonierten gestern Abend stundenlang. Tiefenpsychologisch versuchten wir zu klären, warum ich nach dem Treffen mit Roger so gefasst, ja beinahe gleichgültig auf Ricarda bzw. das Ende unserer Beziehung reagiere. Wir haben schließlich in der fast vierstündigen Sitzung auf
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