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Lügen haben rote Haare

Lügen haben rote Haare

Titel: Lügen haben rote Haare
Autoren: Anne-Marie Käfer
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Zwillinge und die scharfe Stimme meiner Schwester Conny lassen vermuten, dass nicht nur ich Lust auf Hausmannskost habe.
    Meine Mutter sieht mich als Erste. Sie legt die Häkelarbeit beiseite und nimmt mich herzlich in die Arme, während die Zwillinge wenige Sekunden später kreischend vor mir auf die Knie gehen, um an den Bommeln meiner Puschen zu reißen.
    »Warum hast du denn keine Straßenschuhe an?«, will Nanni wissen. Hanni hat die Antwort schon parat. »Na, weil ihr die Hackenschuhe drücken.«
    Conny keift die beiden entnervt an und haucht mir einen Kuss auf die Wange. Sie kneift die Lippen zu einem schmalen Strich zusammen. Ich weiß, dass Conny sich ärgert, in einem alten Schlabbershirt, pflegeleichten Shorts und wuseliger Frisur vor mir zu stehen.
    »Hallo Karo«, rufen mein Vater und Opa Heini wie aus einem Mund, jedoch ohne den Blick von dem Schachbrett zu nehmen, welches vor ihnen auf dem Tisch steht. Weil die Kinder partout nicht von meinen Schlappen lassen können, muss Conny erneut schimpfen. »Hanni … Nanni …, wenn ihr jetzt nicht aufhört, an Karos Pantoffeln zu zerren, gibt es heute Abend keine Gutenachtgeschichte.«
    Beim Aussprechen der Namen Hanni und Nanni zuckt meine Mutter kurz zusammen und mein Vater flötet leise und unschuldig Astrid Lindgrens Pippi-Langstrumpf-Lied, während er sich den nächsten Schachzug überlegt. Die Zwillinge sind mittlerweile sieben Jahre alt. Dass Conny und Anton den Kindern diese Namen gegeben haben, können meine Eltern bis heute nicht verstehen.
    Ich erinnere mich noch genau an den Augenblick, als Conny nach der Entbindung glücklich im Krankenhausbett thronte, in jedem Arm ein rosiges Bündel Mensch. Mein Vater filmte mit seinem Camcorder zwei niedliche Nasenspitzen, meine Mutter zählte zigmal die winzigen Finger und Zehen, um ganz sicherzugehen, dass alles dran war. Dabei machte sie sich vor Connys Bett so breit wie eine fette Glucke, dass Antons Eltern nicht an die Kinder herankamen. Felicitas und Alexander waren zu Tränen gerührt und hielten sich feierlich an den Händen. Anton, der frischgebackene Vater, posaunte mit stolzgeschwellter Brust in einer Tour: »Na, was sagt ihr? Hab ich das nicht gut gemacht? Zwei auf einen Streich« und lief aufgeregt ständig im Zimmer auf und ab.
    Opa Heini sah das Ganze pragmatischer und gluckste freudig. »Wieder zwei, die die Renten sicherer machen.«
    Ich strich meinen Nichten einmal kurz mit dem Zeigefinger über die flaumigen rötlichen Haare und stellte insgeheim fest, dass ich Katzen- oder Hundebabys niedlicher fände.
    Mein Vater gab Regieanweisung, die gesamte Familie sollte sich um Connys Bett stellen, dann surrte die Kamera erneut.
    »Wie sollen meine Urenkelinnen denn heißen?«, fragte Opa Heini fröhlich in die Runde und sofort wurde es laut, alle redeten durcheinander.
    »Marie und Sophie wäre doch schön«, fand meine Mutter, aber Irma, Antons Mutter, widersprach energisch.
    »Aber nein, ich fände ja Antonia und Beatrice sehr nett.«
    »Also ich wäre für Mathilda und Josefine«, fügte Felicitas zaghaft an.
    Dann ließ Anton die Bombe platzen. Peng!
    »So, ihr Lieben. Wir haben lange überlegt … na ja, lange Rede kurzer Sinn, wir danken euch, dass ihr heute hier seid und euch mit uns über die Geburt von Hanni und Nanni freut!«
    Plötzlich wurde es im Raum so still, als hätte der Papst im voll besuchten Petersdom ins Mikrofon gepupst. Ungläubiges Staunen breitete sich auf den Gesichtern aus.
    Mein Vater filmte verkrampft weiter, Opa Heini und ich hüstelten uns einen Lachanfall weg. Während die frischgebackenen Eltern auf Begeisterungsrufe warteten, wurde meine arme Mutter ganz blass und alle Anwesenden machten unglückliche Gesichter. Später, im Auto auf der Heimfahrt, weinte Mama still ins Taschentuch. Wir konnten sie nicht beruhigen.
    »Was werden die Kinder aushalten müssen, sie werden zum Gespött der Leute«, schluchzte sie.
    Mein Vater versuchte zu trösten. »Sie hat die Bücher halt geliebt, was soll man dazu sagen?«
    Ich sinnierte laut vor mich hin. »›Hanni und Nanni sind immer dagegen‹ … ›Hanni und Nanni und das Geisterschloss‹ … ›Hanni und Nanni in tausend Nöten‹.«
    Das Schluchzen wurde lauter.
    »Hör schon auf«, sagte mein Vater sanft. Er streichelte meiner Mutter über die Haare. »Es hätte noch schlimmer kommen können, sie hat auch gerne Pippi Langstrumpf gelesen«.
    »Genau«, stimmte Opa Heini zu. »Pipi und A-A …, das wären schlimme
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