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Lügen haben hübsche Beine

Lügen haben hübsche Beine

Titel: Lügen haben hübsche Beine
Autoren: Marina Schuster
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angesichts der laufenden Kameras wollte sie sich nicht noch mehr blamieren. Also machte sie gute Miene zum bösen Spiel und zauberte mit letzter Kraft ein schiefes Lächeln auf ihr Gesicht.
»Gut, sie kriegt eine Chance«, gab Harriet mit genervter Stimme nach, »132, du bist weiter – Abgang – die Nächste!«
»Äh … was?«, fragte sie irritiert, in der festen Überzeugung sich verhört zu haben.
»Bist du schwerhörig?«, zischte Harriet giftig. »Du bist weiter. Und jetzt raus mit dir, du hältst den ganzen Betrieb auf.«
»Weiter«, schoss es Jill ungläubig durch den Kopf, »Ich bin weiter.«
Damit hatte sie nicht gerechnet, das war eindeutig zu viel für ihre Nerven. Voller Panik drehte sie sich um, stolperte den Laufsteg entlang zurück, und stieß dabei mit dem nächsten Mädchen zusammen, das ihr bereits entgegen kam. Die etwas pummelige Brünette fiel wie ein Mehlsack zu Boden und quietschte vor Schreck laut auf. Erschrocken blieb Jill stehen und beugte sich zu ihr herunter, um ihr beim Aufstehen zu helfen.
»Kannst du nicht aufpassen, du Trampel?«, fauchte das Mädchen sie wütend an und schlug ihre Hand weg.
»Tut mir leid«, entschuldigte Jill sich zerknirscht, und setzte dann ihren Weg in Richtung Vorhang fort. In ihrem Rücken konnte sie das Getuschel der Jury hören. Harriet schien ziemlich aufgebracht zu sein, einer der Männer gab ein amüsiertes, leises Lachen von sich. Kurz vor dem Ende des Laufstegs wurde sie seitlich eine kleine Treppe hinuntergezogen und stand wenig später wieder in der Garderobe.
Vollkommen aufgelöst machte sie sich auf die Suche nach ihrer Kleidung, fand sie schließlich auch in einer Ecke und zog sich eilig um.
»Nichts wie weg hier«, dachte sie fassungslos, während sie den Umkleideraum verließ. Draußen holte sie tief Luft und ließ sich auf einen Stuhl fallen. Völlig entgeistert legte sie den Kopf in die Hände und versuchte zu begreifen, was da gerade passiert war.
Die Tatsache, dass man sie für ein Model gehalten und auf diesen Laufsteg genötigt hatte, war an sich schon schlimm genug. Aber jetzt drang es nach und nach in ihr Bewusstsein, dass vermutlich Hunderttausende von Zuschauern vor den Fernsehern ihren peinlichen Auftritt live verfolgt hatten. Ihr wurde übel, und sie fragte sich, wie sie das Walt beibringen sollte. Worte wie »diskret« und »unauffällig« schossen ihr durch den Kopf, und ihr war klar, dass sie die Sache wohl ziemlich verbockt hatte.
»Hi«, sagte plötzlich eine leise Stimme und riss sie aus ihren Gedanken.
»Hallo«, antwortete sie abwesend.
»Ich bin Mandy«, erklärte die blonde junge Frau neben ihr und reichte ihr die Hand. »Ein ganz schöner Wirrwarr hier, was? – Bist du weiter?«
Jill verzog das Gesicht und nickte.
»Ja, bin ich«, bestätigte sie unglücklich.
»Du scheinst dich nicht sehr zu freuen.« Mandy lächelte. »Aber das kann ich verstehen, es ist alles so neu und aufregend, ich habe auch ziemliche Angst.«
»Ja«, seufzte Jill, »Angst ist genau das richtige Wort.« Sie dachte wieder an Walt und an den Ärger, den sie sicher bekommen würde, und stand auf. »Ich muss jetzt weg«, erklärte sie Mandy.
»Oh, okay – machs gut, wir sehen uns.«
»Das glaube ich kaum«, dachte Jill lakonisch, dann sagte sie laut: »Ja, du auch, bis dahin.«
Jill verließ das Gebäude, blieb einen Moment vor der Tür stehen und überlegte, ob sie nicht doch wieder hineingehen und sich noch ein wenig umsehen sollte. Durch ihren unfreiwilligen Auftritt hatte sie ja bisher kaum Gelegenheit dazu gehabt. Aber sie verwarf den Gedanken genauso schnell, wie er gekommen war, keine zehn Pferde würden sie mehr in diesen Hexenkessel bringen. Außerdem war das jetzt sowieso egal, sie hatte den Einsatz vermasselt und Walt würde ihr den Fall garantiert abnehmen, also trat sie frustriert den Heimweg an.
     
    Mit gemischten Gefühlen betrat sie am nächsten Morgen das Präsidium. Dass sämtliche Kollegen, die ihr auf dem Gang begegneten, sie angrinsten oder leise pfiffen, machte die ganze Sache nicht unbedingt besser. Mit hochrotem Kopf stürzte sie in den Besprechungsraum.
»Hey Jill, tolle Show gestern«, begrüßte Tom Steward sie sofort mit einem breiten Grinsen.
»Ja, ganz toll«, gab sie genervt zurück. »Walt wird bestimmt auch begeistert sein.«
Nach und nach trudelten die anderen Kollegen ein, und Jill musste sich allerlei belustigte Kommentare gefallen lassen.
»Also wenn ich gewusst hätte, dass sich unter diesen Klamotten so ein
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