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Lüge eines Lebens: Stachelmanns vierter Fall (German Edition)

Lüge eines Lebens: Stachelmanns vierter Fall (German Edition)

Titel: Lüge eines Lebens: Stachelmanns vierter Fall (German Edition)
Autoren: Christian Ditfurth
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Gestapo im Herbst 1937 ins KZ Buchenwald verschleppte und der dort im Steinbruch zu Tode gequält wurde. Stachelmann hatte ihm eine lange Passage gewidmet, nachdem er bei Recherchen eher zufällig auf dieses Verbrechen gestoßen war. Ein Verbrechen unter Millionen und doch besonders bewegend, wohl weil es sich um einen Kollegen handelte.
    So gut die Prüfung gelaufen war, nun musste er auf eine Berufung hoffen. Noch war er nicht Professor oder auch nur Privatdozent. Die Urkunde konnte er erst in ein paar Wochen abholen, die Bürokratie ließ sich Zeit. Und dann war er in Wahrheit nichts Halbes und nichts Ganzes. Seine Qualifikation für eine Professorenstelle hatte er nachgewiesen, auch wenn es eine Quälerei gewesen war. Aber ob er eine solche Position je einnehmen würde, das hing allein an der Berufung. Also an dem, worauf ein paar hundert Historiker-Privatdozenten schon seit langem vergeblich hofften. Stachelmann hatte sich nur in eine andere Warteschlange eingereiht.
    »Du hast recht. Es wird nie wieder einer auf mich schießen. Ernsthaft verletzt wurde ich auch nicht, also kann ich jetzt Seminararbeiten lesen.« Er gähnte. Es gab nichts Langweiligeres als Seminararbeiten, in denen lustlose Studenten schrieben, was sie begriffen zu haben glaubten oder vortäuschten. Meistens war es irgendwo abgekupfert, aus dem Internet kopiert, oder es war ein aus Büchern zusammengeklaubtes Sammelsurium. Quellen guckte sich kaum ein Student an. Für ein späteres Dasein als Lehrer mochte es reichen. Aber Historiker würde kaum einer werden aus seinem Seminar. Da fiel es ihm schwer, Freude an seiner Lehrtätigkeit zu finden. Er stand auf und ging ins Schlafzimmer. Dort stand sein Laptop. Er schob Annes Notebook zur Seite, stellte seinen Computer auf und startete ihn, dann rief er seine Mails ab. Eine Mail fiel ihm gleich auf. In der Betreffzeile stand: Stachelmann muss weg. Er erschrak, dann glaubte er es nicht. Aber es stand da. Er öffnete die Mail. Sie enthielt nur eine Zeile: Siehe de.sci.geschichte – Stachelmann-thread. Er starrte die Zeile an. Was hieß das? Er begriff es nicht. Was heißt thread? Faden, dafür reichte sein Englisch. Der Stachelmann-Faden, was sollte das sein?
    Er hatte nicht gemerkt, dass sie ins Zimmer gekommen war. Sie legte eine Hand auf seine Schulter. »Geht's vor an?« »Lies das. Was heißt das?«
    Anne las und überlegte einen Augenblick. »Im Internet gibt es Diskussionsgruppen, das so genannte Usenet, die Abkürzung für user network. Die Diskussionsgruppe de.sci. geschichte kenne ich, die besuche ich oft, manchmal diskutiere ich sogar mit. Unter falschem Namen, wie ich zugeben muss. Es handelt sich um ein deutschsprachiges Forum über Geschichte. Das klingt toll, aber die Freude wird einem vergällt, wenn man mitkriegt, dass die Revisionisten, also Nazis und Halbnazis, wenigstens die Hälfte der Beiträge posten, wie das im Jargon heißt, also in die Gruppe schicken. Es gibt natürlich auch die anderen Fraktionen bis hin zu Stalinisten. Ein thread ist nichts anderes als ein Diskussionsfaden, Beiträge, die sich aufeinander beziehen. Da hat also jemand etwas über dich geschrieben. Das heißt erst mal gar nichts. Allerdings, Stachelmann muss weg, das klingt eher unfreundlich.«
    »Ich bewundere deinen Humor. Und wie erfahre ich, was in dieser Gruppe über mich steht?«
    »Lass mich machen.« Sie zog an seinem Kragen. Er erhob sich und trat hinter den Stuhl, nachdem sie sich daraufgesetzt hatte. Sie klickte in abenteuerlicher Geschwindigkeit in Menüs und Fenstern des Mailprogramms. »Das kann man auch benutzen, um im Usenet mitzumischen.« In der linken Leiste stand nun unter den Mailordnern der Eintrag News-Konto. Sie klickte darauf, im Hauptfenster des Programms stand oben Newsgruppen abonnieren. Ein weiterer Klick öffnete ein Fenster, in dessen Eingabezeile sie als Suchbegriff Geschichte eintrug. Es dauerte nur wenige Sekunden, bis das Programm die Gruppe zeigte. »Da ist sie schon. Jetzt abonnieren wir die auch auf deinem Computer.« Sie klickte so schnell, dass er nicht mitkam. Er hatte vergessen, wie gut sie klarkam mit dem Internet. »So, das war's. Da ist auch schon der thread. Wobei das eine Übertreibung ist. Es ist nur ein einziger Beitrag, er stammt von vorgestern.« Sie klickte, um die Nachricht zu öffnen. Dann sagte sie: »Um Himmels willen! Das ist ein Verrückter. Kein Wunder, dass ihm niemand antwortet.«
    Schweigend lasen sie die wenigen Zeilen, die ein Absender verfasst
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