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Lucy

Lucy

Titel: Lucy
Autoren: Laurence Gonzales
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Rubrik »Verkäufe: Bücher« platziert und lautete: »Signierte Erstausgabe von Jane Goodalls
Wilde Schimpansen
für 1015   Dollar«. Jenny sprang auf und stieß einen Schrei aus. Harry erschrak und packte sie beim Arm, weil er dachte, sie hätte einen Herzanfall. Er wollte schon Erste Hilfe leisten, als Jenny die Sprache wiederfand und es ihm erzählte.
    Der Verkaufspreis war die Uhrzeit, um die sie sich in einer |422| Woche treffen würden. Und wieder fühlte es sich für Jenny an, als wäre die Zeit stehen geblieben. Harry quartierte sie nach ein paar Tagen ins Gästezimmer aus, weil sie vor lauter Anspannung nachts so entsetzlich mit den Zähnen knirschte.
     
    Als der Tag da war, fuhr Jenny nach Lake Geneva in Wisconsin und setzte sich an einen der gusseisernen Tische von Chuck’s Inn an der Uferpromenade des Sees. Es war ein kühler, windiger Tag. Eine Schlechtwetterfront näherte sich von Kanada her, aber in der Sonne war es noch schön warm. Sie sah zu, wie ein einsames Segelboot tapfer im Wind kreuzte. Ein älteres Ehepaar ging Hand in Hand spazieren. Als eine Kellnerin ihr die Speisekarte brachte, sagte Jenny ihr, dass sie zu zweit sein würden.
    Ein paar Minuten später sah Jenny Donna mit federnden Schritten über die Promenade herankommen. Sie trug eine Sonnenbrille, und ihr langer schwarzer Zopf schwang beim Gehen auf ihrem Rücken hin und her. Schließlich stand sie vor ihr, lächelte und setzte sich. Dann schob sie Jenny über den Tisch einen Umschlag zu.
    »Es geht ihr gut«, sagte Donna. »Es geht ihr richtig gut.«

|423| 54
    Ich sitze in der Hütte, regungslos, und schwitze trotzdem so sehr, dass mir der Schweiß herunterläuft, während Bev Ann White Feather mir das Haar flicht. Es ist mittlerweile wieder lang genug. Meine Haut ist braun gebrannt von der Sonne, und ich habe das Gewicht, das ich verloren hatte, wieder drauf, und sogar noch ein paar Kilo mehr. Ich nenne Bev Ann nur Großmutter White Feather, sie ist alt und schrumplig wie eine Rosine und ihr mit Perlen geschmückter grauer Zopf hängt ihr bis über die Taille herab. Sie hat mich mit Täubchen, Kürbis und Maissuppe gepäppelt und mich wieder gesund gepflegt. In den ersten Monaten ließ sie mich an einer Stelle schlafen, wo das Mondlicht auf meine Haut schien, bis meine Periode sich wieder in regelmäßige Zyklen eingependelt hatte. Ich wusste sofort, dass wir ein tiefes gegenseitiges Verständnis haben würden. Die Winter sind hier oben allerdings sehr kalt. Zuerst machte ich mir große Sorgen: Was ist, wenn ich krank werde? Dann muss ich sterben. Aber wir müssen alle sterben. Diese Sorge habe ich hinter mir gelassen. Und nach zweieinhalb Jahren habe ich mich eingewöhnt.
    Als ich genug geschwitzt habe unter meiner schweren Wolldecke, stehe ich auf, und Großmutter White Feather steht mit mir auf, die Hand auf meinen Kopf gelegt. Dann gehen wir von der Hütte den Abhang hinunter durch den Wald zum Fluss. Sie nimmt mir die Decke ab, und ich trete nackt in das schnell dahinfließende Wasser. Die Strömung ist zwar stark, doch der Fluss ist seicht, und der Boden ist mit glatten Steinen |424| bedeckt. Dann wasche ich mich im eiskalten Wasser, und als ich ans Ufer zurückkomme, hält Großmutter White Feather schon ein großes Handtuch für mich bereit. Ich wickle mich darin ein, stoße einen überraschten Ruf aus und lege mir die Hand auf den Bauch. Und sie streicht mir über den Bauch und fragt: »Tritt er wieder?«
    Ich lächle sie an, während sie die Decke aufhebt, und dann gehen wir den Abhang wieder hinauf und zurück in die Hütte.
     
    Als wir mit Donnas Auto die Grenze nach South Dakota überquerten, schlief ich. Das ist jetzt länger als zwei Jahre her, kaum zu glauben. Ich erinnere mich noch an die Fahrt, als wäre es gestern gewesen. Hinter Aberdeen verließen wir Iowa und fuhren am Rande des Cheyenne-River-Reservats entlang bis nach Rapid City. Von Quarzkristallen bedeckte Steintürme säumten den Weg, als wir durch die Black Hills fuhren und dann an den heißen Quellen vorbei hinunter ins Pine-Ridge-Reservat.
    »Dies sind meine Leute«, hatte Donna mir erklärt. »Hier komme ich her. Dies ist unser Land, unser unabhängiges Stammesland. Hier kann niemand dich holen kommen. Ich habe meinen Leuten gesagt, wer du bist, und ihnen viele Monate lang von dir erzählt. Sie heißen dich willkommen. Meine Großmutter liebt mich, und ich habe ihr gesagt, dass du nun meine Schwester bist. Sie wird sich um dich
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