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Luc t'a pan - Teil 1 (German Edition)

Luc t'a pan - Teil 1 (German Edition)

Titel: Luc t'a pan - Teil 1 (German Edition)
Autoren: Markus Wand
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das Gerät an sich, diesmal jedoch legte er sich das Band um den Hals. So schnell es seine Schmerzen zuließen, begab er sich wieder in seine ursprüngliche Beobachtungsposition zurück.
 Er hatte nichts verpasst. Die Röhre kreiselte weiterhin über dem Plateau und die Kreatur schien wie versteinert. Als wäre das Schauspiel einzig für ihn inszeniert.
 Sedlaczec schob sich seine Mütze tiefer ins Gesicht, als es plötzlich hell wurde. Licht in verschiedener Farbe und Intensität schwärmte durch den Nachthimmel.
  Polarlichter? Unmöglich in dieser Gegend.
  Sedlaczec richtete das Fernglas auf das Spektakel über sich. Der Himmel erleuchtete für zirka dreißig Sekunden, bevor sich die Dunkelheit ein weiteres Mal darüber legte.
 Stille.
 Dann erklang das Pfeifen erneut. Sedlaczec zuckte für einen Moment zusammen, doch diesmal hatte es alle Intensität und Aggressivität verloren. Vielmehr tanzte es durch Raum und Zeit. Melodie und Sprache, eng umschlungen, die Sedlaczec mitten ins Herz trafen. Seine Gedanken verstummten, als lauschten auch sie dieser fremden Komposition, die ihm wie eine warme Brise ins Gesicht wehte.
 Das Leuchten kehrte zurück. Es floss am Firmament entlang, wie verschüttete Milch, die an einer Glasscheibe herunterrann.
 Und es war nicht allein.
 Schatten begleiteten es. Silhouetten. Pulsierende Silhouetten.
  Adler.
  Der Gedanke presste sich zwischen Sedlaczecs Hören und Sehen.
  Adler.
  Es mussten Dutzende sein.
  Woher? Und in dieser Anzahl!
  Sedlaczec hatte die Kreatur auf dem Plateau unter sich vergessen. Die Ereignisse in luftiger Höhe hielten ihn gefangen.
 Die Greifvögel flogen in völliger Harmonie mit dem Rhythmus der Melodie. Als sie die Säule aus Eiskristallen erreichten, ordneten sie ihre Formation im Radius der Zirkulation und segelten entgegen ihrer Drehung um ihr Zentrum.
 Sedlaczec erzitterte.
 Er hatte nie zuvor in seinem Leben etwas Anmutigeres gesehen. Sein ganzes Selbst versank in der Schönheit dieses Augenblickes, bis ihm Tränen über die Wangen liefen, in deren Salz das Bild verschwamm.
 Die Adler verschmolzen mit dem Leuchten.
 Sedlaczec zog den herablaufenden Rotz hoch und wischte sich die Tränen aus den Augen. Er stockte.
 Die dunklen Silhouetten der Vögel hatten sich in leuchtende Wesen verwandelt.
  Was ...? Sind sie überhaupt Adler?
  Es schien, als hätten sie die Polarlichter absorbiert.
  Aber was sind sie dann?
  Je mehr Licht die Vögel in sich aufnahmen, desto mehr verloren sich ihre Konturen im Leuchten, das ihre Flügelschläge verstärkte, bis Sedlaczec nur mehr einen gewaltigen Ring aus gelbem Licht erkennen konnte, der über der Säule aus Eiskristallen wie ein Heiligenschein schwebte.
 Nachdem die fliegenden Kreaturen sich völlig aufgelöst hatten, veränderte sich die Farbe des Rings in ein tiefes blutrot; der Ring selbst wechselte währenddessen seine Struktur.
 Er verflüssigte sich.
 Der Anblick erinnerte Sedlaczec an die Konsistenz von glühendem Eisenerz, das durch die Abstichöffnung eines Hochofens in das feuerfest gemauerte Rinnensystem der Gießhalle austrat. Nur dass es sich hier um materialisiertes Licht handelte, das sich in Tropfenform am Rand der Eiskristallsäule …
  ... entlangtastet . Es fließt nicht nur daran herab. Es bildet willkürlich Muster. Zeichen.
  Sedlaczec schluckte.
  Es lebt!
  Je mehr die sich ständig veränderten Muster die Säule bedeckten, desto fordernder drang die Melodie, die das Schauspiel seit dessen Beginn begleitete, durch den Nachthimmel. Sedlaczec spürte ihr Vibrieren, das sich in seinen ganzen Körper fortpflanzte und in ihm ein unbeschreibliches Gefühl der Sehnsucht auslöste.
 Der Sehnsucht eines Neugeborenen, in den Bauch der Mutter mit samt seiner Wärme und Geborgenheit zurückzukehren.
 Die Empfindung besaß eine solche Kraft, dass Sedlaczec befürchtete, sie könnte sein Herz zerreißen. Er setzte das Fernglas ab, schloss die Augen. Atmete mehrmals tief durch. Als er sie wieder öffnete, dehnte sich die Säule für einen Wimpernschlag auf die doppelte Größe aus, bevor sie mit einem gewaltigen Blitz implodierte und verschwand. Das gesamte Plateau unter Sedlaczec erbebte. Schnee stob empor und schoss - entgegen aller physikalischer Gesetzesmäßigkeiten – in alle Richtungen davon. Eine Wand aus Kälte traf Sedlaczec, die ihm die Luft aus den Lungen trieb und das Fernglas mit Wucht gegen seinen Schädel schlug. Für einen kurzen Moment wähnte
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