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Lotta Wundertüte: Unser Leben mit Bobbycar und Rollstuhl (German Edition)

Lotta Wundertüte: Unser Leben mit Bobbycar und Rollstuhl (German Edition)

Titel: Lotta Wundertüte: Unser Leben mit Bobbycar und Rollstuhl (German Edition)
Autoren: Sandra Roth
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Lotta?«
    Meine Mutter schenkt ihr eine schwarz-weiße Plüschkatze. Der Großvater drückt Lotta einen Kuss auf die schokoverschmierte Wange. »So langsam wird die Treppe zum Problem«, sagt er später zu mir. Großvater ist jetzt 82 und wohnt seit fünfzig Jahren im dritten Stock ohne Aufzug. Wie soll das weitergehen? Ich schreibe eine sentimentale E-Mail an Brassel und Feldkamp. »Vor drei Jahren haben wir Lotta zum ersten Mal schreien gehört und wir konnten uns nicht vorstellen, was vor uns liegt.« Im Kindergarten kriegt Lotta eine lila Krone mit einer goldenen Drei darauf und eine Karte. Darauf die Fingerabdrücke aller Kinder, rote, gelbe, grüne, blaue Tupfen. »Wie schön, dass du bei uns bist«, haben die Erzieher hineingeschrieben. Wir machen keine Fahrradtour, denn es regnet.
    In der Woche danach klingelt morgens um acht das Telefon.
    »Sandra, hallo, hier ist Zora. Hier häuft sich eine Katastrophe nach der anderen. Hier sind fast alle krank, wir sind heute nur zu zwei Erziehern ...«
    »O je.«
    »Meinst du, du könntest Lotta heute mal zu Hause lassen? Ich fürchte, wir könnten uns heute nicht so gut um sie kümmern.«
    »Klar.«
    Wie lange werden wir noch ohne Integrationshelfer auskommen müssen? Bald läuft die Frist ab, die ich dem Sozialamt und dem LVR gesetzt habe. Werden wir vor Gericht ziehen müssen? Und wenn wir verlieren? Muss Lotta sich von Kofi, Ida und Zora verabschieden?

    »Wo war diese Klinik noch?«, fragt Harry beim Frühstück und lässt die Zeitung sinken. »Die mit den Stammzellen?«
    »Düsseldorf, wieso?«
    »Hier steht, dass da ein Kind gestorben ist, die Staatsanwaltschaft ermittelt. Es ist nicht mal klar, ob die wirklich Stammzellen injiziert haben.«
    Es hätte nicht viel gefehlt und diese Geschichte hätte ein anderes Ende genommen. Lotta liegt auf ihrem Sitzsack, Ben isst sein Müsli. Ich mache Brei. Als ich sie hochnehmen will, lächelt Lotta und sagt: »Ma-a.«
    Bens Löffel schwebt in der Luft, Harry schaut auf. »Hat sie Mama gesagt?«
    »Lotta, hast du Mama gesagt?«
    Lottas Lächeln wird zum Grinsen. Mit weit geöffnetem Mund: »Ma-a«.
    An diesem Morgen können unsere Nachbarn sehen, wie wir durch das hell erleuchtete Wohnzimmer tanzen. Ben auf Harrys Schultern, sie drehen Pirouetten, Lotta auf meinem Arm, wir wirbeln umher. Die Musik dazu hören sie nicht. Ein Sprechchor: »Lotta kann Mama sagen, Lotta kann Mama sagen, Lotta kann Mama sagen.« Draußen geht Frau Girschke vorbei, wir winken ihr zu.

    Auf der großen Straße durch unser Viertel. Harry, ich und Lotta, Ben ist bei einem Freund. An der roten Ampel steht eine Frau neben uns. Hinschauen, wegschauen, hinschauen, wegschauen. Harry sieht mich an. Als sie das nächste Mal schaut, beuge ich mich zu Lotta runter und drücke ihr einen Kuss auf die Backe.
    »Na, Lotta, wollen wir nächste Woche auf den Weihnachtsmarkt?«
    »Oioioi!«
    »Ja, oioioi. Da hast du recht.«
    Die Frau lächelt und sagt zu Lotta: »Fährst du da mit dem Karussell?«
    »Oioioi.«
    Es wird grün. Es hat funktioniert.
    Verhalte ich mich, als hätte ich einen Pitbull dabei? Schau mal, der tut nichts, der will auch nur spielen? Aber wenn es hilft?

    »Kommt es dir nicht auch so vor, als würden die Leute ...«, Harry zögert, » ... irgendwie normaler reagieren?«
    »Vielleicht ist das auch eine Sache der Haltung.«
    »Haltung?«
    »Wenn ich erwarte, dass die Leute fürchterlich sind, suche ich nach Anzeichen dafür, dass ich recht habe. Mittlerweile freue ich mich lieber über jeden, der nett zurückgrüßt.«
    Wir waren schon beim Bäcker, nun laufen wir am Spielzeugladen vorbei. Harry sagt: »Vielleicht gewöhnt man sich wirklich an alles.«
    Ich schaue ins Schaufenster, eine Ritterburg.
    Harry: »Wolltest du nicht noch wegen Weihnachten gucken?«
    »Lass mal. Ich fahr lieber in die Stadt.«
    »Wegen der Verkäuferin?«
    Harry stößt die Tür zum Laden auf.
    Die Miene der Verkäuferin fällt zusammen, als sie uns sieht. Wir stehen im Laden und gleichzeitig an einem Grab. »Frau Roth«, sagt sie. Getragene Stimme. »Wie geht es Ihnen?«
    »Toll!«
    »Ja?« Unsicherer Blick.
    »Haben Sie eine Puppe in Schwarz-Weiß?«, fragt Harry.
    »Kann sie damit spielen?«, fragt die Verkäuferin.
    Lotta fängt an zu jammern.
    Ich: »Spatz, was ist?«
    Die Verkäuferin: »Was hat sie denn? Möchte sie ihren Schnuller?«
    »Den haben wir ihr abgewöhnt«, sagt Harry. »Wurde auch Zeit.«
    »Mein Sohn ist vier und nimmt immer noch den Schnuller.«
    Das
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