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Loretta Chase

Loretta Chase

Titel: Loretta Chase
Autoren: Ein verlockend beherrschter Earl
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können, doch Olivias Wesen hatte
sie allem Anschein nach wenig anzuhaben vermocht.
    Lisle
musste an eine Stelle aus einem der Briefe denken, den sie ihm kurz nach der
Geburt seines ersten Bruders nach Ägypten geschickt hatte.
    Ich
freue mich schon auf den Tag, an dem ich endlich Junggeselle werde. Es würde
mir gefallen, ein unstetes Leben zu
führen.
    Wenn man
den Gerüchten glaubte, war ihr das gelungen.
    Gerade
wollte er sich nach ihr auf die Suche machen, als er bemerkte, wie Männer sich
in einer Ecke des Saals drängten und um die beste Position rangen. Vermutlich
wetteiferten sie um die Gunst der gerade amtierenden Schönheit des Abends. Er
ging hinüber.
    Das
Gedränge war so dicht, dass er zunächst wenig mehr sah als eine absurd hoch
aufgetürmte Haarpracht, die über den beflissenen Köpfen der Verehrer
emporragte. Zwei Paradiesvögel schienen mit den Schnäbeln im gelockten Haar zu
picken, das übrigens rot war. Sehr rot.
    Nur ein Mädchen
auf der ganzen weiten Welt hatte solches Haar.
    Eigentlich
keine Überraschung, Olivia inmitten männlicher Aufmerksamkeit zu finden. Sie
war von Stand und brachte eine stattliche Mitgift mit. Das dürfte mehr als
genug dafür entschädigen, dass sie ...
    In diesem
Augenblick teilte sich die Menge und gab ihm den Blick frei. Sie sah in seine
Richtung. Wie gebannt blieb er stehen.
    Das hatte
er ganz vergessen.
    Diese
großen blauen Augen.
    Einen
Moment stand er so da, verloren in einem Blau, das so unergründlich war wie der
ägyptische Nachthimmel.
    Er
blinzelte kurz, dann besah er sich den Rest, angefangen bei den albernen
Vögeln, die auf den kunstvoll verschlungenen Locken wippten, bis zu den
Schuhspitzen, die unter den Rüschen und Besätzen ihres blassgrünen Kleides
hervorblitzten.
    Dann ließ
er seinen Blick wieder aufwärts wandern, und sein Verstand verlangsamte sich
bis zum Schneckentempo.
    Zwischen
Haarpracht und Schuhen taten sich ein anmutig gebogener Hals auf, sanft
abfallende Schultern und ein alabasterblasses, sehr präsentables Dekolleté ...
und so ging es gerade weiter ... hinab zur Taille, die man locker mit einem Arm
umfangen konnte und von der sich sehr gefällig gerundete Hüften ausschwangen
...
    Nein, das
konnte nicht sein. Olivia hatte viele Vorzüge. Schönheit zählte nicht
dazu. Wohl sah
sie interessant aus, markant – ja, das wohl: diese verheerend blauen
Augen, das feuerrote Haar. Beides war unverwechselbar, einzigartig. Und doch,
es war ihr Gesicht unter dieser albernen Haarpracht ... und konnte es doch
nicht sein. Er starrte sie an, ließ seinen Blick hinauf- und hinabschweifen,
hinab und hinauf. Auf einmal schien es ihm unerträglich heiß und stickig im
Saal, das Herz schlug ihm ganz sonderbar, und sein Kopf schwirrte von Gedanken,
die er mit dem eben Gesehenen in Einklang zu bringen versuchte.
    Vage war er
sich bewusst, dass er etwas sagen sollte, nur wusste er nicht, was. Seine
Manieren hatten schon immer ein wenig zu wünschen übrig gelassen. Er fühlte
sich in einer anderen Welt heimisch, war ein anderes Klima gewohnt, andere
Menschen. Wenngleich er gelernt hatte, sich in dieser zu bewegen, fiel es ihm
doch nicht immer leicht. Er hatte es nie verstanden, zu sagen, was er nicht
meinte, und nun wusste er nicht mal mehr, was er zu sagen meinte.
    Augenblicklich
ging alles, was man jemals zu seiner Zivilisierung unternommen hatte,
verschütt. Wachte oder träumte er? Er hatte eine Vision, die ihn alle Regeln
und Gepflogenheiten vergessen, alle leeren Phrasen und schicklichen Manieren
noch unwesentlicher als sonst erscheinen ließ, sie in Stücke riss und in alle
Winde zerstreute.
    »Lord
Lisle«, sagte sie und neigte so anmutig den Kopf, dass der Vögel Gefieder flatterte.
»Wir haben gewettet, ob Sie wohl zu Urgroßmamas Geburtstag kämen oder nicht.«
    Beim Klang
ihrer Stimme, so vertraut, begann die Vernunft langsam wieder aus dem Nebel der
Verwirrung hervorzukriechen.
    Das war
Olivia, sagte die Vernunft. Und hier waren die Fakten: ihre Stimme, ihre Augen,
ihr Haar, ihr Gesicht. Ja, ihr Gesicht war anders, weil es weicher und
weiblicher geworden war, aber es war ihr Gesicht, auch wenn die Wangen nun
runder waren, die Lippen voller ...
    Er nahm
wahr, dass um ihn her getuschelt wurde, dass einer der Männer fragte, wer er
sei, und ein anderer etwas erwiderte. Aber all das schien unwesentlich, einer
anderen Welt anzugehören. Er hatte nur Augen und Gedanken für Olivia.
    Dann sah er
ein Lachen in ihren Augen funkeln und um ihre
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