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Loretta Chase

Loretta Chase

Titel: Loretta Chase
Autoren: Ein verlockend beherrschter Earl
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ergriffen? Nicht dass sie wüsste. Es war ganz instinktiv
geschehen, war ganz selbstverständlich gewesen, mit ihm zu gehen, obwohl er
kaum noch dem Jungen von einst ähnelte.
    Zum einen
war er ganz beträchtlich gewachsen, und das nicht nur rein körperlich,
wenngleich die Veränderung seiner äußeren Erscheinung beachtlich genug war. Als
er eben zu ihr herübergekommen war, hatte er ihr glatt die Sicht auf den Rest
des Saals verstellt. Größer als sie war er schon immer gewesen, aber nun war er
nicht mehr schlaksig und ungelenk. Er war erwachsen geworden und strahlte eine
Männlichkeit aus, die ihr schwindeln ließ.
    Womit sie
nicht allein zu sein schien. Zu den Verehrern, die sich beflissen um sie
geschart hatten, hatten sich auch einige wenige ihrer Freundinnen gesellt, und
ihr war nicht entgangen, wie sie Lisle angesehen hatten. Auch jetzt drehte man
sich allenthalben nach ihnen um – und zur Abwechslung waren es nicht nur
Männer, die schauten, und die Blicke galten nicht nur ihr.
    Auch sie
hatte eben kaum den Blick von ihm wenden können – und das, obwohl sie ihn so
gut kannte. Vermutlich zog er so viel Aufmerksamkeit auf sich, weil er einfach
anders war als andere Männer.
    Verstohlen betrachtete
sie ihn, begutachtete ihn mit dem berechnenden Blick der Ungeheuerlichen
DeLuceys.
    Dank der
ägyptischen Sonne schimmerte seine Haut bronzen und sein blondes Haar
hellgolden, doch das war längst nicht die einzige Veränderung, die sie an ihm
wahrnahm.
    Der
schwarze Frack schmiegte sich um seine breiten Schultern, und die schmalen
Hosen betonten seine langen, muskulösen Beine. Sein Linnen schimmerte makellos
weiß, seine Schuhe waren glänzend schwarz. Obwohl er praktisch genau dasselbe
trug wie andere Männer auch, wirkte es bei ihm doch anders. Irgendwie schien er
weniger bekleidet zu sein als sie, was daran liegen mochte, dass kein anderer
Gentleman es schaffte, so selbstverständlich alle Aufmerksamkeit auf den
kraftvollen Körper zu lenken, der sich unter der eleganten Garderobe verbarg.
    Sie sah,
dass andere Frauen mitten im Gespräch innehielten, um ihn anzuschauen, oder
seine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken versuchten.
    Doch sie
sahen nur das Äußere. Was, wie sie zugeben musste, schon aufregend genug war.
    Sie
hingegen wusste, dass er auch auf andere, weniger offensichtliche Weise anders
war. Zum einen hatte er nicht die für einen Gentleman übliche Erziehung
genossen. Daphne Carsington hatte ihn auf ihren ägyptischen Exkursionen
gelehrt, was er auf keiner Schule und an keiner Universität hätte lernen
können. Rupert Carsington hatte ihm Überlebenskünste beigebracht, deren die
meisten Gentlemen kaum bedurften: wie man beispielsweise ein gut geschärftes
Messer handhabte oder einen missliebigen Menschen aus dem Fenster stürzte.
    All das
wusste sie, denn er hatte ihr davon in seinen Briefen berichtet. Auf seine
Stimme hingegen war sie nicht vorbereitet gewesen. Auf diesen betörenden
unenglischen Einschlag, der sich in seinen aristokratischen Tonfall geschlichen
hatte, und wie dieser Klang Bilder von Wüstensand und Beduinenzelten
heraufbeschwor. Und von halbnackten Frauen, die sich auf türkischen Teppichen
räkelten.
    Auch hielt
er sich anders als früher, was daran liegen mochte, dass er seit fast zehn
Jahren in einer rauen, gefährlichen Welt lebte, wo er hatte lernen müssen, sich
so leise und geschmeidig wie eine Katze oder eine Kobra zu bewegen.
    Seine
goldbraune Haut und das hellgoldene Haar ließen an einen Tiger denken, doch
damit wurde man seiner Andersartigkeit nicht gerecht. Er bewegte sich eher wie
... Wasser. Wenn er sich seinen Weg durch die Menge bahnte, ließ er sie in
leisen Wellen erbeben. Frauen seufzten in stiller Verzückung und Männer
begannen Mordgedanken zu hegen.
    Was ihm
gewiss nicht entgehen dürfte, hatte er doch gelernt, seine Sinne für jede noch
so kleine Regung in seiner Umgebung zu schärfen. Aber er ließ sich nichts
anmerken.
    Sie
hingegen, die ihn schon viel, viel länger kannte, merkte sehr wohl, dass er
längst nicht so kühl und gelassen war, wie er sich den Anschein gab. Hinter der
vernünftigen, beinah pedantischen Fassade verbarg sich ein leidenschaftliches,
geradezu halsstarriges Wesen, das, so vermutete sie, sich wenig verändert
hatte. Auch war er keineswegs so beherrscht, wie man vermuten könnte, und der
grimmige Zug um seinen Mund ließ sie vermuten, dass seine Geduld kürzlich erst
empfindlich strapaziert worden war.
    Sie drückte
seine Hand.
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