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Loretta Chase

Loretta Chase

Titel: Loretta Chase
Autoren: Eine verführerisch unnahbare Lady
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jüngster Sohn fähig war?
    Nein,
natürlich nicht. Ausgeschlossen.
    »Das klingt
zu schön, um wahr zu sein«, meinte er. »Wo ist der Haken?«
    »Nun
...«, begann sein Vater. »Das Anwesen befand sich zehn Jahre in der
Treuhandschaft des Gerichts.«
    »Zehn
Jahre?« Darius horchte auf. »Sie meinen doch nicht etwa das Anwesen in
Cheshire? Das Haus dieser verrückten Alten – wie hieß es noch gleich?«
    »Beechwood.«
    Die verrückte
Alte war Lord Hargates Cousine, Lady Margaret Andover, die zum Zeitpunkt ihres
Todes weder mit ihrer Familie noch mit ihren Nachbarn ein Wort wechselte, ja
eigentlich mit überhaupt niemandem mehr sprach außer mit ihrem Mops – Galahad
genannt und auch längst verschieden –, dem sie ihr Anwesen vermacht hatte.
Diese Verfügung fand sich in einem Kodizill zu ihrem Testament, dessen gesamte
Nachträge zweihundertachtzehn Seiten umfassten und sich sämtlich widersprachen,
ebenso wie ihre zahlreichen anderen Testamente, die sie in den letzten
Jahrzehnten ihres Lebens aufgesetzt hatte. Das war auch der Grund, weshalb das
Anwesen in der Treuhandschaft des Gerichts gelandet und dort so lange
verblieben war.
    Nun wurde
ihm einiges klar. »Aber das Haus steht noch?«, vergewisserte sich Darius.
»Geradeso.«
    »Und die
Ländereien?«
    »Du kannst
dir gewiss vorstellen, in welchem Zustand sie sich nach Jahrzehnten der
Vernachlässigung befinden.«
    Darius
nickte. »Verstehe. Eine wahre Herkulesaufgabe.«
    »So ist
es.«
    »Sie
scheinen davon auszugehen, dass es nicht ein, sondern mehrere Jahre brauchen
wird, das Anwesen wieder profitabel zu machen«, stellte Darius fest. »Das
ist der Haken an der Sache.«
    »Es war
einmal ein sehr einträgliches Anwesen und hat viel Potenzial«, sagte sein
Vater. »Lord Lithby, dessen Ländereien im Osten angrenzen, hat schon seit
Ewigkeiten ein Auge auf Beechwood geworfen. Wenn du dich der Herausforderung
nicht gewachsen fühlst, würde er sie mir gewiss gern abnehmen.«
    Damit – und
das wusste er ganz genau, dieser hinterhältige Teufel – hatte er Darius an
seinem wunden Punkt erwischt. Selbst der schärfste Verstand ist gegen
verletzten Mannesstolz machtlos.
    »Sir, Sie
wissen ganz genau, dass ich, wenn Sie es so formulieren, unmöglich Nein sagen
kann – dass ich nicht Nein sagen werde«, entgegnete Darius. »Wann beginnt
mein Jahr?«
    »Jetzt«,
sagte Lord Hargate.
    Cheshire
    Samstag, 15. Juni 1822
    Das Schwein hieß Hyacinth.
    Hyacinth
lag zufrieden im Koben und säugte ihre zahlreiche Ferkelschar. Sie war die
fetteste und fruchtbarste Muttersau der ganzen Grafschaft, womit sie ihrem
Besitzer, dem Marquess of Lithby, Anlass zu Stolz und seinen Nachbarn Anlass zu
Neid gab.
    Lord Lithby
lehnte am Pferchgatter und blickte voller Bewunderung auf sein
Lieblingsschwein.
    Die junge
Frau, die neben ihm stand, dachte bei sich, dass sie und Hyacinth ganz schön
viel gemein hatten, waren sie doch beide von Seiner Lordschaft abgöttisch
geliebte Prachtexemplare.
    Lady
Charlotte Hayward war siebenundzwanzig Jahre alt und als Lord Lithbys einziges
Kind aus erster Ehe und als einzige Tochter seine größte Freude und sein ganzer
Stolz.
    Auch die
schärfsten Kritiker hätten an ihrem Äußeren nichts zu beanstanden gewusst. In
den besten Kreisen war man sich einig, dass sie weder zu groß noch zu klein
geraten, weder zu dick noch zu dünn war. Hellblondes Haar rahmte ein Gesicht,
das allen Kriterien klassischer Schönheit genügte: porzellanblaue Augen, eine
elegante Nase und fein geschwungene Lippen, alles auf blassem Alabasterteint
vollendet zur Geltung gebracht. Diejenigen Frauen, die sie insgeheim
beneideten, mussten zudem feststellen, dass es schier unmöglich war, sie nicht
zu mögen, schließlich war Lady Charlotte nicht nur schön, sondern auch gütig
und großherzig,
bescheiden und genügsam.
    Sie ahnten
ja nicht, wie anstrengend es war, Charlotte Hayward zu sein, und wären außer
sich gewesen, hätten sie gewusst, dass Charlotte insgeheim das Schwein
beneidete.
    Soeben
überlegte sie, wie es wohl sein mochte, sich im Schlamm zu suhlen und mit der
Schnauze tagein, tagaus im Dreck zu wühlen und sich keinen Deut darum zu
scheren, was andere von einem dachten, als ihr Vater sagte: »Du solltest
heiraten, Charlotte.«
    Alles in
ihr erstarrte. Das wäre mein Ende, dachte sie.
    Ihr war,
als würde sie in einen tiefen Abgrund blicken. Anzumerken war ihr von ihrem
Unbehagen indes nichts. Unerfreuliche Gefühle zu verbergen war ihr zur zweiten
Natur
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